Umweltverbände kritisieren erneut polnische Planungsunterlagen zum Ausbau der Oder
Geplante Maßnahmen sind umweltschädlich und unbegründet
Vier Jahre nach Unterzeichnung des deutsch-polnischen Wasserstraßenabkommens möchte die Republik Polen Planungen zum einseitigen Ausbau der Grenzoder vorantreiben. Nach einer fachlichen Auswertung der erneuerten Dokumente zur Prüfung der Umweltverträglichkeit stellen die Umwelt- und Naturschutzorganisationen BUND, DUH, NABU, WWF und Nationalparkverein Unteres Odertal sowie der Dachverband DNR gravierende Mängel fest: Kein Nachweis über die Notwendigkeit der Schaffung von Schifffahrtsbedingungen für den Hochwasserschutz, keine Prüfung der Auswirkungen auf das deutsche Ufer, zu kurze Beteiligungsfristen sowie unzureichende Unterlagen. Aktuelle Entscheidungsprozesse in Deutschland zur Oder werden nicht berücksichtigt oder juristisch hinterfragt.
„Das geplante Vorhaben liegt nach unserer Überzeugung eindeutig nicht im öffentlichen Interesse, da die Notwendigkeit der Schaffung von Schifffahrtsbedingungen für den Hochwasserschutz durch Eisbrecher nicht nachgewiesen wurde. Vielmehr wurde darauf hingewiesen, dass die Eisbrecher bisher zuverlässig operieren konnten und nicht durch zu geringe Fahrwassertiefen daran gehindert wurden. Die Notwendigkeit des geplanten Vorhabens ist damit nicht mehr ersichtlich“, kritisierte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne stellvertretend für die beteiligten Verbände. Der staatliche Wasserbetrieb Wody Polskie konnte für die zukünftige morphologische Entwicklung der Oder auch keine Prognosen vorlegen. Die Problematik steigender Wasserspiegel bei Sommerhochwassern wie der Oderflut 1997 und die Gefahr für den Hochwasserschutz aufgrund der Mehrbelastung für die Deiche werde damit nicht gelöst.
Die Verbände weisen darauf hin, dass die Prüfung von Alternativen mit wesentlich geringeren Umweltauswirkungen wie beispielsweise den Einsatz von Amphibex-Schwimmbaggern aus Kanada von Wody Polskie mit den vorgelegten Gutachten nicht ausreichend erfolgte. Der zuständige Gutachter hatte erklärt, dass mangels eines Testeinsatzes auf der Oder alle Thesen nur durch "Expertenwissen" bestätigt werden konnten und eine Überprüfung unter realen Bedingungen erfolgen müsse. Einen solchen Testeinsatz halten die Umweltverbände für zwingend, da dies eine erheblich wirtschaftlichere und ökologisch günstigere Variante für die Oder wäre.
„Wir teilen auch nicht die Position von Wody Polskie, den hydrologischen Effekt des Oder-Ausbaus nur auf der polnischen Seite prüfen zu müssen. Als Vorhabensträger muss Polen auch die von den Arbeiten ausgehenden Betroffenheiten auf dem gegenüber liegenden deutschen Ufer bewerten. Dies ist bewusst nicht erfolgt, weshalb die grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung unvollständig ist“, sagte Schöne weiter.
Durch das Ausbauvorhaben werden EU-rechtlich geschützte Arten wie Stör, Lachs, Schnäpel und Goldsteinbeißer gefährdet. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Kompensation reichen bei weitem nicht aus. Sie werden nicht einmal die baubedingten Beeinträchtigungen adäquat mindern. Ein Ausgleich der dauerhaften Habitatverluste wurde nicht einmal geplant. Darüber hinaus erfolgten auch keine Prüfung alternativer Bauformen von Buhnen und Parallelwerken.
Die Umweltverbände weisen in ihrer Stellungnahme zudem darauf hin, dass die Beteiligungsfrist von vier Wochen bei einem über 1.000 Seiten langen, fachlich komplexen Umweltbericht und ähnlich umfangreicher Anlagen deutlich zu kurz bemessen ist. Durch Rechtsgutachten, die aufgrund schlechter Übersetzungsqualität oft nicht verständlich sind, würden die laufenden Entscheidungsprozesse, insbesondere die noch ausstehende deutsche Strategische Umweltprüfung zur Oder, ständig in Frage gestellt. Wody Polskie sei aufgrund der Mängel daher aufgefordert, eine ordnungsgemäße Umwelt-Dokumentation zu erarbeiten und bis zu deren abschließender Prüfung die Arbeiten auszusetzen.
Die zweite Stellungnahme zur Dokumentation der Umweltauswirkungen für die Umweltverträglichkeitsprüfung des Projekts mit dem Titel „1B.2 Stufe I und Stufe II Modernisierungsarbeiten an der Grenzoder als Teil des Hochwasserschutzprojekts im Einzugsgebiet der Oder und der Weichsel“ (Juli 2019) ist zusammen mit einer Kurzfassung "Ökologischer Hochwasserschutz im Einzugsgebiet der Oder" und einem Gutachten "Wirksamkeit des geplanten Flutpolders Międzyodrze und der Stromregelungskonzeption für den Hochwasserschutz der Unteren Oder" unter www.dnr.de erhältlich.
Rückfragen
Georg Rast, Referent für Hochwasser und Hydrologie beim WWF Deutschland, Tel.: 030-311777-208
Florian Schöne, politischer Geschäftsführer DNR, Tel. 030-6781775-99