Überfischungswende verpasst
WWF kritisiert Ostsee-Fangmengen für Dorsch und Hering
Die europäischen Fischereiminister haben festgelegt, wieviel Fisch im Jahr 2019 in der Ostsee gefangen werden darf. Der WWF kritisiert vor allem die Fangmengen für die Bestände von Dorsch und Hering in der westlichen Ostsee als zu hoch.
„Der westliche Dorsch hatte nur eine Chance und die wurde im Quotengeschacher verspielt. In der kommenden Fangsaison wird der einzige vernünftige Nachwuchsjahrgang seit Jahren im Netz enden, bevor er selbst ausreichend für Nachkommen sorgen kann. Es bleibt ein Rätsel, wie die Minister einen Fischbestand aufbauen wollen, wenn sie den einzigen stabilen Nachwuchsjahrgang durch zu hohe Fangquoten ruinieren“, kritisiert Heike Vesper, Leiterin Meeresschutz beim WWF Deutschland. Der westliche Dorschbestand wurde jahrzehntelang so stark überfischt, dass seine Bestandsstruktur zerstört ist. Über 80 Prozent des gesamten 2019er Dorschfangs werden nach wissenschaftlichen Einschätzungen aus gerade dreijährigen Dorschen bestehen. Doch diese Fische beginnen erst in ihrem dritten Lebensjahr zu laichen, ältere Fische produzieren deutlich mehr Nachwuchs als Jungfische.
Auch beim für deutsche Fischer wichtigen Heringsbestand in der westlichen Ostsee ist die Situation dramatisch. Er ist nach neuesten Erkenntnissen in einem derart schlechten Zustand, dass der wissenschaftliche Rat für Meeresforschung (ICES) nur die Einstellung dieser Fischerei für 2019 empfehlen konnte. Diese Maßnahme wäre auch durch den seit 2016 geltenden Mehrjahresplan für die Ostsee gedeckt. Der WWF kritisiert, dass die Minister sich dennoch über die entsprechenden Vorgaben hinwegsetzten. „Selten war die Beschlusslage so klar: Für den Heringsbestand sieht es so düster aus, dass das gesetzlich vereinbarte Notfallprogramm zur Bestandsrettung umgehend in Kraft treten müsste. Statt der vorgesehenen Vollbremsung zum Wohl des Herings wird aber wieder nur ein Ausweichmanöver beschlossen. Die Quotenkürzung fällt deutlich zu gering aus und verlängert die Hängepartie für Fischer und den Fischbestand. Aber ohne Hering hat auch die Fischerei keine Zukunft“, so Heike Vesper vom WWF.
Mit Ablauf des Jahres 2018 geht die derzeit gültige EU-Fischereipolitik in die zweite Halbzeit. Sie startete zum Jahr 2014 mit hohen Ambitionen und verfolgt als ein wichtiges Ziel die Beendigung der Rückwürfe in EU-Gewässern bis zum Jahr 2019. „Rückwürfe von unerwünschtem Beifang sollten vor allem in der Ostsee längst der Vergangenheit angehören. Doch noch immer gehen elf Prozent der Dorsche in der östlichen Ostsee ungenutzt wieder über Bord. An diesem Punkt scheinen die Mitgliedsländer gerade erst den Startblock verlassen zu haben, anstatt auf die Zielgerade einzubiegen.“
Und auch das zentrale Ziel der gemeinsamen Fischereipolitik, die Überfischung in EU-Gewässern bis zum Jahr 2020 zu beenden, erscheint in weiter Ferne. „In den letzten fünf Jahren haben die Fischereiminister die Überfischungswende verpasst. Ab jetzt braucht es stärkere Anstrengungen, damit das ebenso anspruchsvolle wie notwendige Ziel bis zum Jahr 2020 überhaupt noch erreicht werden kann“, so Heike Vesper.