Großkatzen auf dünnem Eis
Ein Drittel aller Tiger-Gebiete laufen Gefahr ihre Tiger zu verlieren / Jaguar-Staaten beraten in New York
Berlin: Tiger haben in den vergangenen Jahren vor allem mit guten Nachrichten auf sich aufmerksam gemacht. Dank größerer Schutzbemühungen stieg die Zahl frei lebender Individuen seit 2010 von 3.200 auf 3.890. Auf welch dünnem Eis dieser Erfolg fußt zeigt jetzt eine Studie, die am Freitag in New York von einer Allianz verschiedener Natur- und Umweltschutzorganisationen vorgestellt wird: Nach einer Untersuchung von über hundert Gebieten, in denen 70 Prozent der globalen Tigerpopulation beheimatet ist, laufen mindestens ein Drittel von ihnen Gefahr, die seltenen Tiere langfristig zu verlieren. Die Gründe liegen vor allem in schlechtem Management und einem großen Mangel an Kapazität zur effektiven Bekämpfung der Wilderei. Lediglich 13 Prozent der untersuchten Gebiete bescheinigen die Autoren ausreichende Standards.
„Erschreckend ist, dass die meisten dieser schwach geführten Schutzgebiete in Südostasien liegen. Gerade dort wäre der Tigerschutz am dringendsten, da die Populationen dort in den letzten zehn Jahren besonders dramatisch eingebrochen sind“, sagt Kathrin Hebel, Tiger-Expertin beim WWF Deutschland. „Aber diese Extrem-Beispiele dürfen nicht von dem grundsätzlichen Problem ablenken: In allen untersuchten Gebieten mangelt es an der effektiven Bekämpfung der Wilderei, der Einbeziehung lokaler Gemeinden zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen und an der Vermeidung von Mensch-Tier-Konflikten.“
Obwohl Wilderei eine der massivsten Bedrohungen für die Großkatzen darstellt, verfügen 85 Prozent der untersuchten Gebiete nicht über die personellen Kapazitäten, um Anti-Wilderer-Patrouillen einzusetzen. Als Hauptgrund nennt die Studie zu geringe Investitionen. Während 86 Prozent der Schutzgebietsleiter in Südasien, Russland und China angaben, dass sie in punkto finanzieller Ausstattung auf einem guten Weg seien, sehen sich im Vergleich dazu nur 35 Prozent der Gebietsmanager in Südostasien in einer ähnlich günstigen Situation. „Die Regierungen insbesondere von Indonesien, Thailand, Malaysia, Kambodscha Laos und Myanmar müssen dringend mehr Mittel in den Schutz der Reservate stecken. Das kommt nicht nur den Tieren zugute, sondern auch den Menschen vor Ort“, fordert Kathrin Hebel vom WWF.
Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit gerät auch der Jaguar immer stärker ins Visier der Wilderer. Aus diesem Grund kommen ebenfalls am Freitag in New York Vertreter zahlreicher lateinamerikanischer Staaten zusammen, in denen die nach Tiger und Löwe drittgrößte Katze der Welt beheimatet ist. Auf dem Treffen, zu dem unter anderem die Vereinten Nationen und der WWF geladen haben, soll eine Deklaration verabschiedet werden, in der sich die Jaguar-Staaten analog zum Tiger-Gipfel 2010 in St. Petersburg auf effektive Maßnahmen zum Schutz der Großkatze verständigen.
Laut WWF leben noch rund 64.000 Jaguare in den Wäldern Lateinamerikas, mit stark abnehmender Tendenz. Neben dem Verlust an Lebensraum litten die Tiere unter der zunehmenden Wilderei. Aufgrund der immer schwierigeren Jagd auf Tiger werden immer mehr Jaguare gewildert, um ihre Tatzen, Knochen, Hoden und weitere Körperteile in der traditionellen chinesischen Medizin zu nutzen, ungeachtet ihrer wissenschaftlich nicht erwiesenen Wirksamkeit. Besonders dramatisch sei die Situation in Bolivien, wo es in den letzten Jahren zu Funden von Körperteilen mehrerer hundert Jaguare kam. Erst letzten Freitag (23.2.) wurden hier chinesische Schmuggler mit Fangzähnen von knapp 50 Tieren aufgegriffen.