Wie viel Landunter braucht eine Hallig?

WWF-Studie: Meeresspiegelanstieg bedroht wichtigen Standort für Küstenvögel im Wattenmeer

Halligschichtung am Priel ©Hans-Ulrich Rösner/WWF
Halligschichtung am Priel ©Hans-Ulrich Rösner/WWF

Die Erderhitzung und der deshalb künftig schneller steigende Meeresspiegel gefährden die Natur auf den nordfriesischen Halligen, warnt der WWF in einer aktuellen Studie. Die Salzwiesen auf den kleinen Eilanden vor der Küste Schleswig-Holsteins bieten jährlich 60.000 brütenden Küstenvögeln wie Austernfischern und Seeschwalben Schutz. Schon immer wurden die Halligen vor allem während der Sturmflutsaison einige Male pro Jahr überflutet. Gerade diese Landunter schaffen die charakteristischen Lebensräume wie Salzwiesen. Die Herausforderung sieht der WWF darin, für den steigenden Meeresspiegel Anpassungsmaßnahmen zu finden, die Küstenschutz und Naturschutz gleichermaßen gewährleisten. Auf den großen Halligen Hooge und Langeneß sind die Salzwiesen bereits heute stark ausgesüßt und liegen zu niedrig. Eine große Gefahr sei auch, dass durch künstliche Dammverbindungen mit dem Festland immer mehr Bodenfeinde der Küstenvögel auf drei der Halligen gelangen. Von Natur aus kommen Füchse oder Marder auf solchen Inseln im Wattenmeer nicht vor.

„Die Halligen sollten wieder häufiger überflutet werden“, sagt Jannes Fröhlich, „und zwar gerade, weil der Meeresspiegel steigt. Nur durch Überflutungen können die Halligen mit dem Meer in die Höhe wachsen und salzig bleiben.“ Das sei eine unbequeme Erkenntnis, weil Landunter für die Halligbewohner eine Erschwernis darstellen.

Wirksamer Klimaschutz kann die Folgen der Erderhitzung für das Wattenmeer insgesamt dämpfen. Doch auch bei Umsetzung des Pariser Abkommens wird der Meeresspiegel voraussichtlich noch so stark ansteigen, dass Anpassungsnahmen vor Ort nötig werden, um die Natur der Halligen zu erhalten. Die Uferbefestigungen um die großen Halligen sollten dabei so gestaltet werden, dass es bei hohen Wasserständen wieder häufiger Überflutungen gibt, bei denen sich Sand und Schlick aus dem Meerwasser auf dem Land absetzen.

 

Um das heute bereits zu geringe Mitwachsen des flachen Marschlands zu verbessern, empfiehlt die WWF-Studie auch neuen Ideen eine Chance zu geben. „Steuerbare Sieltore wären eine Lösung. Damit lassen sich Überflutungen kontrollieren und das Wachstum mit dem Meeresspiegel fördern“, so Fröhlich. Bei geeigneten Wasserständen könnten die normalerweise bei Flut geschlossenen Tore geöffnet werden. Der WWF begrüßt, dass hierzu ein erster wissenschaftlicher Versuch auf Hallig Langeneß stattfand. Für die Brutvögel und Weidetiere auf den Halligwiesen ist es wichtig, solche Überflutungen nicht im Frühling und Sommer, sondern im Herbst und Winter zu ermöglichen.

Weitere Vorschläge des WWF sind eine grünere Uferbefestigung sowie Sandaufspülungen statt Steinen zum Schutz einiger Halligufer. Die Zuwanderung von Bodenfeinden der Küstenvögel über die künstlichen Dämme müsse gestoppt werden. Das schleswig-holsteinische Hallig-Programm, mit dem eine naturgerechte Bewirtschaftung der Flächen gefördert wird, solle erhalten und schrittweise fortentwickelt werden. In einem Zukunftsszenario für das Jahr 2030 zeigt die WWF-Studie anschaulich mögliche Lösungen auf einer typischen Hallig auf.

  • Ein wachsender Teil der Wattflächen droht schon in 50 – 100 Jahren dauerhaft überflutet zu werden.
  • Das mittlere Höhenwachstum vor allem der großen Halligen liegt mit 1,5 mm (Hooge) bis 2,6 mm (Nordstrandischmoor) deutlich unterhalb des aktuellen mittleren Meeresspiegelanstiegs von 4,1 mm pro Jahr.
  • Mit etwa 2000 Paaren brütet rund die Hälfte der deutschen Küstenseeschwalben auf den Halligen. Die Brandseeschwalbenkolonie auf Norderoog umfasst mit etwa 3000 Paaren rund 70 Prozent des deutschen Brutbestandes.
  • Rund 10 Millionen in der Arktis brütende Wat- und Wasservögel machen außerhalb der Brutzeit im Wattenmeer Station. Viele von ihnen rasten auf den Halligen und fressen bei Niedrigwasser im Watt. Ringelgänse ernähren sich von den Salzwiesen der Halligen.

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