OVG Greifswald lehnt Baustopp von Nord Stream 2 ab
NABU und WWF: Entscheidung gegen Naturschutz und Beteiligungsrecht der Naturschutzverbände
Zwei Wochen nach Beginn der Baggerarbeiten in der Ostsee hat das Oberverwaltungsgericht Greifswald den Antrag des NABU auf einen vorläufigen Baustopp für die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 abgelehnt. NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller:
„Wir können diese Entscheidung nicht nachvollziehen. Es ist ein schwarzer Tag für den Naturschutz, wenn den privatwirtschaftlichen Interessen von Nord Stream 2 Vorrang vor dem Schutz bedrohter Arten und Lebensräume eingeräumt wird. Auf der Grundlage eines aus unserer Sicht rechtswidrigen Beschlusses werden Schutzgebiete in der Ostsee zerstört. Nord Stream 2 hat erfolgreich auf die Kostenkarte im Falle eines Baustopps gesetzt. Offensichtlich wiegt Geld mehr als die Natur. Wir werden die Entscheidung jetzt prüfen. Gleichzeitig bestätigt das Urteil, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache völlig offen ist. Das würde bei einer erfolgreichen Klage des NABU bedeuten, dass die Pipeline zurückgebaut werden muss. Ein unkalkulierbares Risiko für die am Projekt beteiligten Firmen.“
Am 2. März hatte der NABU in einem Eilverfahren Klage gegen den Bau von Nord Stream 2 eingereicht. Ein Planfeststellungsbeschluss des Bergamtes Stralsund hatte den Baubeginn im Greifswalder Bodden ab dem 15. Mai erlaubt. Daher sah sich der NABU gezwungen, eine zusätzliche Zwischenverfügung zu beantragen, sozusagen einen Eilantrag im Eilverfahren. Dieser ist jetzt abgelehnt worden. Das Gericht argumentiert mit der Komplexität des Verfahrens und behandelt dabei maßgebliche Fragen des Rechtstreits noch gar nicht. Drei Monate nach Eröffnung des Verfahrens.
Die Entscheidung ist auch deshalb nur schwer nachzuvollziehen, weil nur wenige Tage nach Beginn der Baggerarbeiten massive Verschmutzungen durch Schmierfette im Baugebiet aufgetreten sind. Es wurden Proben vom Staatlichen Umweltamt genommen und die Polizei ermittelt. Es gilt als sicher, dass Nord Stream 2 der Verursacher ist.
NABU-Meeresschutzexperte Kim Detloff: „Die Verunreinigungen an den Stränden des Greifswalder Boddens sind ein klares Alarmsignal und zeigen, welche Risiken das Projekt Nord Stream 2 für Mensch und Umwelt bringt. Die heutige Entscheidung macht uns betroffen, da die möglichen Folgen für Mergelriffe und Wasserpflanzen, Schweinswale und Meeresenten noch schwerer wiegen können. Erstaunlich ist auch, dass das Gericht den überholten Argumenten von Nord Stream 2 zur Energiesicherheit folgt anstatt auf führende Energiexperten zum Beispiel des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zu hören, welche die Gaspipeline für energiepolitisch falsch halten. Jetzt hoffen wir auf eine andere Entscheidung im Hauptsacheverfahren.“
Im Hauptsacheverfahren kritisiert der NABU neben den schädlichen Umweltauswirkungen auch Fehler im Genehmigungsverfahren, so sind zum Beispiel Umweltverträglichkeitsprüfungen unvollständig. Zusätzlich wird auf die noch ausstehenden Genehmigungen in anderen Ostsee-Anrainerstaaten hingewiesen.
Die Klage des NABU wird fachlich und finanziell vom WWF Deutschland unterstützt.
Jochen Lamp, Leiter des WWF-Ostseebüros: „Wir sind entsetzt über das Signal, das von dieser Entscheidung ausgeht. Sie schwächt den Stellenwert des Meeresnaturschutzes. Wenn man bei wirtschaftlich wichtigen Vorhaben zunächst den Schaden zulässt und ernsthafte Prüfungen erst stattfinden, wenn Umweltschäden nicht mehr repariert werden können, verschlechtert man Naturschutzstandards gravierend. Dies wird auch die Entscheidungen in Dänemark und Schweden beeinflussen, deren Genehmigungen für das Projekt noch ausstehen.“