Fischereibehörden müssen Meeresschutz umsetzen

EuGH urteilt über Verbändeklage zu deutschen Meeresschutzgebieten

Fischerei auf der Nordsee ©Hartmut Jungius WWF
Fischerei auf der Nordsee ©Hartmut Jungius WWF

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute entschieden, dass die Einhaltung der europäischen Naturschutzvorschriften in Meeresschutzgebieten weitgehend über die im Fischereirecht vorgesehenen Verfahren gewährleistet werden muss. Demzufolge dürfen die nationalen Naturschutzbehörden in vielen Fällen keine eigenständigen Naturschutzmaßnahmen anordnen, die auch zu Einschränkungen der Fischerei  führen würden (EuGH, Urteil vom 13.06.2018, C-683/16).

 

In dem Verfahren, das die deutschen Umweltschutzverbände BUND, DUH, Greenpeace, NABU, WDC, WWF und der Dachverband DNR angestrengt hatten, ging es um die Frage, ob das europäische Naturschutzrecht Vorrang vor der Fischerei hat und diese einschränken darf. Im Zentrum stand die Verwendung von Stellnetzen und bodenberührende Fischerei, die beide als sehr umweltschädlich gelten, aber bis heute großflächig auch innerhalb von Schutzgebieten eingesetzt werden. In der dagegen gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln hat das Gericht, wie von den Umweltverbänden beantragt, die Grundsatzfrage der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Fischerei und Naturschutz dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.  

 

Der EuGH hat nunmehr entschieden, dass das EU-Naturschutzrecht innerhalb des Regelwerks der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) umgesetzt werden muss, um das Fischen in Meeresschutzgebieten naturverträglich zu regulieren. Das stellt angesichts der zeitaufwändigen und abstimmungsintensiven Verfahrensschritte eine hohe Hürde für den Meeresumweltschutz dar. Zumal der EuGH betont hat, dass die Vorschriften des europäischen Naturschutzrechts eingehalten werden müssen.

 

„Die bisherigen Verfahren gemäß GFP ignorieren die verheerenden Auswirkungen der Fischerei auf Seevögel, Meeressäugetiere und artenreiche Riffe weitgehend. Damit ist die Entscheidung ein Rückschlag für den Meeresschutz in Europa“, so die Umweltverbände. „Alle anderen Nutzungsformen wie Sand- und Kiesabbau, Pipelinebau oder Forschung müssen ihre Vereinbarkeit mit dem Schutzgebiet rechtzeitig mit einer Verträglichkeitsprüfung nachweisen. Ausgerechnet die Fischerei, die anerkanntermaßen die größten Schäden im Meer hinterlässt, bleibt davon weiterhin ausgenommen. Das ist ein Skandal“.

 

Laut GFP darf Deutschland die Aktivitäten von Fischern innerhalb von Schutzgebieten in der deutschen Wirtschaftszone nach der Entscheidung des EuGH nicht selbstständig beschränken. Nahezu alle Vorschläge zur Regulierung bestimmter Fangmethoden oder zeitlich-räumliche Begrenzungen müssen mit den EU-Nachbarstaaten verhandelt werden. Ebendies geschieht zurzeit: Deutschland und seine Nachbarstaaten müssen sich in den kommenden Monaten einigen, ob und in welcher Form Fischerei zukünftig in ausgewiesenen Schutzgebieten erlaubt bleiben kann. Je länger dieser Prozess jedoch andauert, desto stärker werden die Vorschläge der Bundesregierung verwässert. Insbesondere Dänemark und Frankreich blockieren. Damit wird ein effektiver Schutz wichtiger Lebensräume und Arten massiv erschwert.

 

Aktuelle Entwicklungen machen deutlich, was passiert, wenn die Fischereiadministration über zentrale Fragen des Natur- und Artenschutzes verhandelt. Notwendige Entscheidungen im Sinne des Meeresschutzes werden über Jahre verschleppt, und am Ende kommen keine wirksamen Maßnahmen zum Schutz von Schweinswalen, Seevögeln und anderen Meerestieren heraus. In Stellnetzen, die in der Ostsee für den Fang von Hering und Dorsch eingesetzt werden, verfangen sich jedes Jahr Zehntausende Seevögel sowie Schweinswale. Die bodenberührende Fischerei mit Baumkurren, die in der Nordsee beim Fang von Krabben und Plattfischen eingesetzt werden, pflügt den Meeresboden regelrecht um und hinterlässt dauerhafte Spuren der Verwüstung. Das widerspricht den Schutzvorschriften des europäischen Umweltrechtes und schadet der Nord- und Ostsee, den größten und wichtigsten Ökosystemen vor unserer Haustür. Deutschland und die Nachbarstaaten müssen dies nun über einen raschen Abschluss der Verfahren gemäß GFP schnellstens abstellen, fordern die Umweltverbände.

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