Globalen Lebensadern droht Thrombose
Weltwasserwoche 2018: WWF veröffentlicht globalen Fluss-Report / Metropolen in Flussdeltas: Sedimente verhindern Untergang
Gesunde Flüsse können die gravierenden Auswirkungen von Wetterextremen wie Starkregen und Dürreperioden abmildern. Sie liefern zudem Energie aus Wasserkraft, Nahrung in Form von Fischen, Dünger und verhindern durch ihre Sedimente das versinken ganzer Flussdeltas. Dass Flüsse weitaus mehr leisten als bisher allgemein bekannt, zeigt der Report „Valuing Rivers“, den der WWF zum Start der Weltwasserwoche im Stockholm veröffentlicht hat. „Gesunde Flüsse sind ein wichtiger Garant für unsere globale Entwicklung. Doch viele Flüsse sind verstopft, verschmutzt und ausgesaugt. Das kann für Natur und Mensch gerade in Zeiten der globalen Erderhitzung gravierende Folgen haben“, warnt Philipp Wagnitz, Programmleiter Süßwasser beim WWF Deutschland.
Eine halbe Milliarde Menschen, darunter die Bewohner von Megametropolen wie etwa Shanghai, Kalkutta und Ho Chi Minh City, leben in Fluss-Deltas, die ohne die stetige Versorgung mit Sedimenten im Meer zu versinken drohen. „Sand und andere Sedimente sind überlebenswichtig für die Flussdeltas. Werden Flüsse etwa durch Dämme im Oberlauf verbaut, drohen die Flussdeltas im Meer unterzugehen“, so die Warnung des WWF. Wie wichtig darüber hinaus die Flüsse als „Lebensadern“ für den Menschen sind zeigen weitere Zahlen aus dem WWF-Bericht. Demnach sind weltweit zwei Milliarden Menschen für ihr Trinkwasser direkt auf Flüsse angewiesen. Ein Viertel der weltweiten Nahrungsmittelproduktion hängen von der Bewässerung durch Flüsse ab. Jedes Jahr werden mindestens zwölf Millionen Tonnen Süßwasserfische gefangen, die Millionen von Menschen Nahrung und Lebensunterhalt sichern.
„Ob Mensch, Natur oder Wirtschaft – alle sind auf gesunde Flüsse angewiesen. Doch Entscheidungsträger beachten den enormen wirtschaftlichen Wert von Flüssen oft gar nicht - bis sie verschwinden oder handfeste Krisen auftreten“, so Wagnitz. Der WWF-Bericht warnt, dass sich dieser „blinde Fleck“ auch für Deutschland als ökonomisch kostspielig erweisen könnte. Schon jetzt stammen 19 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung aus Wassereinzugsgebieten mit hohem oder sehr hohem Wasserrisiko. Als drittgrößte Importnation der Welt ist Deutschlands Wirtschaft direkt von ausreichend sauberem Süßwasser weltweit abhängig. „Wir müssen die Art und Weise, wie wir unsere Flüsse bewerten und bewirtschaften, dringend ändern – sonst drohen katastrophale humanitäre und ökologische Folgen."
Auch die europäische Politik sieht der WWF in der Pflicht: Nach einer Untersuchung der EU-Umweltagentur aus dem Juli 2018 befinden sich nur 8,4 Prozent der deutschen Oberflächengewässer in einem „guten ökologischen“ Zustand. EU-weit liegt der Wert immerhin bei 40,6 Prozent. Deutschland und Europa müssten den Gewässerschutz endlich ernst nehmen und die Wasserrahmenrichtlinie konsequent umsetzen, so die Forderung des WWF. Es sei zu lange weggesehen worden, wie Industrie und Landwirtschaft auf Kosten des Wassers gewirtschaftet hätten.
So befinden sich einzelne Flüsse wie etwa die Ammer in einem „ökologisch guten Zustand“. Doch das ist leider die Ausnahme. Die Isar und ihre Nebengewässer zwischen Landshut und Donaumündung befinden sich beispielsweise in einem „ökologisch schlechten Zustand“. Die gesamte Mittelelbe in Deutschland befindet sich in einem „ökologisch unbefriedigenden Zustand“ und die Saale als Nebenfluß der Elbe in einem „ökologisch schlechtem Zustand“.
Fallbeispiel Deutschland: Masterplan Ems
Die Ems befindet sich in einem katastrophalen ökologischen Zustand. Der Masterplan Ems 2050 will Abhilfe schaffen und das Gewässer sanieren. BUND, NABU und WWF haben untersucht, welche Effekte der Masterplan für den Naturraum Tideems und die Region haben wird. Das Ergebnis: Nicht nur die Vielfalt von Tieren und Pflanzen an der Unterems kann so wiederhergestellt oder erhalten werden, eine renaturierte Ems nutzt Erholungssuchenden und wirkt sich positiv auf den Schutz von Klima und Wattenmeer aus