Die große Flatter

Waldrappe starten mit ihren menschlichen Fluglotsen ins Winterquartier in die Toskana

Die Waldrappen sollen in der Toskana überwintern. © Waldrappteam LIFE Northern Bald Ibis

31 in diesem Jahr geschlüpfte Waldrappe (Geronticus eremita) starten am Mittwoch von Überlingen am  Bodensee auf  ihre große Reise ins Winterquartier. Ziel ist die Laguna di Orbetello, ein Schutzgebiet des WWF  in der Toskana. Alleine werden die jungen Zugvögel, die von Zookolonien abstammen, den Weg dorthin allerdings nicht finden. Waldrappe gelten hierzulande seit 400 Jahren als ausgestorben. Die Tiere wurden ausgerottet, weil sie leicht zu bejagen und offenbar lecker waren. 

 

Zeitgenössischen Schriften aus dem 16 Jahrhundert zufolge galten die Vögel als „Schleck mit lieblich Fleisch und zart Gebein“. Weil die letzten Exemplare im Kochtopf landeten, fehlt es ihren Nachfahren für den Flug  an ortskundigen gefiederten Vorbildern. An deren Stelle treten menschliche  Ziehmütter. Sie haben die  Waldrappküken in den vergangenen Monaten aufgepäppelt und fliegen dem Schwarm als Fluglotsen im Ultraleichtflugzeug voraus. Weil die Vögel von Geburt an auf ihre „Adoptivmütter“ konditioniert wurden, folgen sie ihnen auf  ihrer fast 1.000 Kilometer langen Reise über die Alpen. Der Vogelzug ist der jährliche  Höhepunkt eines europäischen LIFE Projektes, das das Ziel verfolgt, eine regional ausgestorbene Art als echte Zugvögel wieder anzusiedeln.

 

„Die Geschichte klingt wie das Drehbuch zu einem Hollywood-Film, funktioniert aber nicht nur im Kino“, berichtet  Johannes Fritz, Leiter des Waldrappteams, einem  Zusammenschluss von  Biologen, Zoos und Naturschützern.  Fritz und seine Partner  haben die Methode in den Vorjahren im bayrischen Burghausen und in Salzburg bereits erfolgreich praktiziert.  Insgesamt 133  Vögel machten sich seit 2014 auf diese Weise auf den Weg in den Süden. Bis zur Geschlechtsreife bleiben die Tiere in der Toskana, dann machen sie sich allein auf die Rückreise in ihr Brutgebiet. 

 

Seit einigen Jahren beobachtet das Waldrappteam eine zunehmende Zahl der Ibisvögel, die zurück zum  Brüten nach Deutschland kommen und ihren Nachwuchs selbständig ins Winterquartier führen. Genau dies soll auch den Waldrappen vom Bodensee gelingen. Zunächst steht ihnen aber ein anstrengender Flug über die Alpen bevor. Ihre Reise führt sie von Überlingen über die Schweiz in sechs bis acht Etappen  in die südliche Toskana. Zwischendurch werden immer wieder Ruhetage eingelegt, damit sich die Tiere von den Strapazen  erholen können. Läuft alles wie geplant, ist man nach zwei bis drei Wochen am Ziel.

„Das Comeback des Waldrapps ist ein toller Erfolg, der Hoffnung gibt“, freut sich Albert Wotke, Naturschutzreferent beim WWF Deutschland. Zugleich zeige das Projekt, wie viel Geduld, Geld, Glück und Geschick es brauche, damit eine verschwundene Art wieder heimisch werden könne. Deshalb sei es umso wichtiger, den Ursachen für den rasanten Verlust an Biodiversität möglichst frühzeitig entgegenzutreten.

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