Mehr Menschenaffen im Kongobecken
Studie: Populationen von Gorillas und Schimpansen im Kongobecken deutlich größer als bisher bekannt
Berlin: Die Zahl der Gorillas und Schimpansen im Kongobecken ist deutlich höher als bislang vermutet. Das ist das Ergebnis einer großangelegten Bestandsanalyse, die am Mittwoch im britischen Fachmagazin „Science Advances“ veröffentlicht wurde. Wissenschaftler verschiedener Organisationen, darunter WWF, WCS und Max-Planck-Institut kommen nach einer rund zehn Jahre andauernden Untersuchung zu dem Schluss, dass im Kongobecken rund 360.000 Westliche Flachlandgorillas (Gorilla gorilla gorilla) und 130.000 Zentralafrikanische Schimpansen (Pan troglodytes troglodytes) zuhause sind. Bei den Gorillas sind die Bestände damit rund 30 Prozent, bei den Schimpansen etwa neun Prozent höher als bislang vermutet. Beide Arten gelten trotzdem weiter als gefährdet.
„Das Ergebnis ist spektakulär und als Naturschützer freut es mich natürlich, dass es mehr Gorillas und Schimpansen gibt als bisher gedacht“, sagt Dr. Thomas Breuer, Referent für Zentralafrika beim WWF Deutschland und Co-Autor der Studie. „Auf keinen Fall dürfen wir uns aber von den Zahlen blenden lassen. Beide Arten sind weiter bedroht und unsere Analysen zeigen, dass insbesondere der Bestand des Gorillas deutlich zurückgeht. Wir haben somit lediglich etwas länger Zeit für die Rettung, aber die Lage bleibt kritisch.“ Allein im Untersuchungszeitraum sei die Zahl der Gorillas jährlich um durchschnittlich 2,7 Prozent zurückgegangen, was hochgerechnet auf 30 Jahre eine Halbierung der Bestände bedeute.
Die neuen Bestandszahlen kommen nach Angaben der Studienautoren vor allem dadurch zustande, dass man Gebiete in die Analysen einbezogen hat, die man zuvor nicht als Lebensräume von Gorillas und Schimpansen eingestuft hatte oder untersuchen konnte. Die Bedrohungslage bleibe die gleiche: Aktuell mache den Menschenaffen vor allem die Wilderei zu schaffen. Die Tiere werden im großen Stil gejagt, um ihr Fleisch auf den Märkten der wachsenden Städte der Region zu verkaufen. In manchen Gebieten sprechen Fachleute vom „empty forest syndrome“: Auf den ersten Blick intakte Wälder, in denen aber kaum noch Tiere leben.
Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass rund 80 Prozent der Gorillas und Schimpansen außerhalb von Schutzgebieten leben. Neben einer Ausweitung geschützter Areale plädiert der WWF daher auch für eine naturverträglichere Nutzung der Wälder in Zentralafrika. „Noch haben wir es im Kongobecken mit dem zweitgrößten Regenwald der Erde zu tun. Aber der Nutzungsdruck steigt. Forstkonzessionen, Bergwerke und Plantagen schießen aus dem Boden. Wir stecken in einer entscheidenden Phase und müssen alles daran setzen, die Entwicklung in eine naturverträgliche Richtung zu lenken“, so Thomas Breuer vom WWF.
Die Studie wurde über einen Zeitraum von rund einem Jahrzehnt durchgeführt. Untersucht wurden die Verbreitungsgebiete des Westlichen Flachlandgorillas und des Zentralafrikanischen Schimpansen im Kongobecken. Die beiden Arten kommen aktuell in Kamerun, Gabun, Republik Kongo, Zentralafrikanische Republik, Äquatorialguinea und Angola vor. Die Forscher verbrachten zusammengerechnet etwa 61.000 Tage im Feld und legten eine Strecke von 8.700 Kilometern zurück. Das Kongobecken gilt als der mit Abstand wichtigste Lebensraum für Gorillas und Schimpansen. Mehr als 90 Prozent aller Individuen der vier Gorilla-Unterarten leben im westlichen Äquatorialafrika. Auch die Mehrzahl der Schimpansen ist hier beheimatet.