Die Wanderung der Fische
Barrierefreie Flüsse sind entscheidend für die Artenvielfalt in unseren Gewässern
Die spektakuläre Wanderung der Lachse ist bekannt. Dass auch scheinbar stationär lebende Fischarten wie Äsche, Nase oder Huchen immer wieder ihren Aufenthaltsort ändern, ist vielen nicht bewusst. „Für den Erhalt der Artenvielfalt in unseren Gewässern brauchen wir barrierefreie Flüsse“, so Wolfgang Hug vom WWF Deutschland. „Am diesjährigen Weltfischwandertag rufen wir alle Akteure dazu auf, sich für mehr Durchgängigkeit in unseren Gewässern zu engagieren. Insbesondere die Ammer sollte ein Referenzfluss für freie alpine Wildflüsse werden.“
Fische wandern. Je nach Situation und Lebensphase suchen sie andere Lebensräume auf: Nahrungsgründe, Winterplätze, Schutzareale oder Laichstandorte. Dabei stoßen sie jedoch häufig auf Barrieren. Insgesamt 200.000 Querbauwerke versperren ihnen in deutschen Flüssen den Weg. Problematisch sind nicht nur Wasserkraftwerke und Wehre, sondern auch kleinere Abstürze in Bächen. Die europäische Wasserrahmenrichtlinie schreibt vor, dass unsere Gewässer bis spätestens 2027 einen „guten ökologischen“ Zustand erreichen müssen. Derzeit wird diese Vorgabe nur an weniger als sieben Prozent der Flüsse erreicht. Häufige Ursachen für das Verfehlen des „guten ökologischen Zustands“ sind fehlende oder unerreichbare Lebensräume für die Wasserlebewesen, insbesondere für die Fische. Es gibt noch viel zu tun: Laut Umweltbundesamt ist die Durchgängigkeit derzeit bei über der Hälfte aller deutschen Wasserkörper nicht gewährleistet. Durch den Bau von Umgehungsgerinnen, Fischauf- bzw. -abstiegsanlagen oder Sohlrampen soll sie nach Möglichkeit wiederhergestellt werden.
An der Ammer könnte man mit gutem Beispiel voran gehen. „Unsere Vision ist eine barrierefreie Ammer“, so Wolfgang Hug. „Sie ist der letzte große Alpenfluss in Bayern, der nicht durch einen Stausee gebremst wird. Hier lohnt es sich, in die komplette Durchgängigkeit zu investieren.“ Das Wasserwirtschaftsamt Weilheim unternimmt kostspielige Anstrengungen, diesen noch naturnahen Alpenfluss wieder durchgängig zu gestalten. So wurden diverse Wehre in den letzten Jahren durch Sohlgleiten ersetzt. In absehbarer Zeit wäre die Ammer für Fische durchgängig, wäre da nicht das private Kraftwerk an der Ammermühle bei Rottenbuch. Der Betreiber entnimmt der Ammer einen Großteil des Wassers. Unterhalb der Ausleitung fällt das Flussbett häufig fast trocken. Für Fische, die flussaufwärts zu ihren Laichgründen wollen, ist das eine unüberwindbare Barriere. Fische, die flussabwärts schwimmen, landen, wenn sie Pech haben, in der Turbine des Kraftwerks. Eine Fischwanderhilfe wurde bisher nicht installiert. Der Betreiber beruft sich auf sogenannte „Altrechte“, die vor langer Zeit vergeben wurden, ohne ökologische Standards zu berücksichtigen. Würden alle an einem Strang ziehen, könnte die Ammer bei voller Durchgängigkeit ein Wildfluss von hoher nationaler und internationaler Bedeutung werden – ein ganz besonderes Naturjuwel.
Im Projekt „Alpenflusslandschaften – Vielfalt leben von Ammersee bis Zugspitze“ engagiert sich der WWF Deutschland für die Renaturierung der Ammer im Bereich der Schnalzaue. Das Gesamtprojekt, in dem sich 18 Partner zusammengeschlossen haben, wird durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sowie mit Mitteln des Bayerischen Naturschutzfonds gefördert.