Deutschland im Zugzwang
G20-Staaten treffen sich in Hangzhou / Deutschland droht Umsetzung der vereinbarten Klimaziele zu Hause zu verfehlen
Der Klimaschutz wird beim G20-Gipfel im chinesischen Hangzhou an diesem Wochenende ein wichtiges Thema sein. Im Forum der größten Volkswirtschaften soll unter anderem die Umsetzung der in Paris vereinbarten Klimaziele vorangetrieben werden. Nur: Deutschland schaffe es derzeit nicht einmal, den eigenen Beitrag auf den Weg zu bringen, kritisiert Regine Günther, Generaldirektorin Politik und Klimaschutz beim WWF Deutschland. Dem Klimaschutzplan 2050, mit dem die vereinbarten Ziele von Paris eigentlich in nationale Vorgaben übersetzt werden sollten, fehle bislang der nötige Wille. „Das Ambitionsniveau des Klimaschutzplans 2050 wurde bisher mit jedem weiteren Schritt abgesenkt. Der letzte Entwurf liest sich, als hätte Paris gar nicht stattgefunden.“
Das sei umso prekärer, da Deutschland 2017 die Präsidentschaft der G20 übernimmt. Den G20-Staaten komme als größte Klimasünder auf der einen Seite und als größte Wirtschaftskräfte auf der anderen Seite eine besondere Verantwortung zu. Sie müssten ihre emissionsintensiven Volkswirtschaften in Zukunft klimafreundlich ausrichten und den in Paris beschlossenen Umbau der Weltwirtschaft hin zu einer vollständigen Dekarbonisierung anführen. „Wer es nicht schafft, im eigenen Land einen angemessenen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, wird der geforderten G20-Führungsrolle nicht gerecht“, resümiert Günther.
„Die G20-Staaten können und müssen dafür sorgen, dass es eine Verschiebung in der Weltwirtschaft hin zu umweltfreundlichen Investitionen gibt.“ Dazu müsse nun endlich das Ende von Subventionen für fossile Energieträger eingeläutet werden. Trotz einer Zusage aus dem Jahr 2009, solche Subventionen abzubauen, fließen in den G20-Staaten noch immer jährlich hohe Milliardenbeträge in die Produktion fossiler Brennstoffe. Dieser eklatante Widerspruch zu den Beschlüssen von Paris müsse endgültig aufgelöst werden, indem ein Endpunkt bis 2020 beschlossen und mit einem klaren Ausstiegsplan sowie einem belastbaren Überprüfungsprozess versehen wird, so Günther.
Weiterhin sollte der Ausbau erneuerbarer Energien forciert werden, damit in Zukunft alle Menschen Zugang zu sauberer Energie haben. Die G20 haben außerdem das Potenzial, mit einem Umlenken ihrer Finanzströme auf grüne Investments auch andere Länder zu einer nachhaltigen Wirtschafts- und Finanzpolitik zu ermutigen.
Als Gruppe, die für ca. drei Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, spielen sie außerdem die entscheidende Rolle dabei, das Reduktionsziel von Paris zu verwirklichen. Dieses sieht vor, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts die weltweiten Nettoemissionen auf Null zu bringen. Voraussetzung dafür seien glaubwürdige nationale Klimaschutzbeiträge der G20-Staaten, erklärt Günther. „Für Deutschland bedeutet das, den Klimaschutzplan 2050 in Einklang mit den Ergebnissen von Paris zu bringen. Zentral hierfür sind der Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2035 mit der Zielsetzung einer Vollversorgung durch erneuerbare Energien bis spätestens 2050, sektorenspezifische Minderungsziele für Treibhausgase und eine gesetzliche Verankerung dieser Bestrebungen in einem Klimaschutzgesetz. Für eine innovationsbasierte Industrienation wäre es eine Riesenblamage, nicht schnellstmöglich einen ambitionierten kohlenstoffarmen Entwicklungsplan für 2050 vorzulegen.“