Deutschlands verdrängtes Wilderei-Problem
Illegale Jagd-Safaris in Bayern und Wolfs-Serienkiller in Brandenburg: WWF legt Fünf-Punkte-Plan für deutsche Anti-Wilderei-Offensive vor.
Fallen, Giftköder oder Gewehrkugeln - Wilderei gehört in der Bundesrepublik bei Luchs und Wolf zu den häufigsten, unnatürlichen Todesursachen. Davor warnt der WWF in einer aktuelle Analyse zu Deutschlands „verdrängtem Wilderei-Problem“. Die geringe Aufklärungsrate, eine hohe Dunkelziffer und einzelne, besonders grausame Fälle bezeichnet die Naturschutzorganisation als „extrem alarmierend“. So wurden in Brandenburg seit 2014 drei geköpfte Wölfe gefunden – ein Serientäter ist nicht auszuschließen. Außerdem gibt es im Bayerischen Wald Hinweise, wonach Luchse systematisch mit Fallen getötet werden, offenbar mit dem Ziel, die Wälder zu Luchs-freien Zonen zu machen. Um das Wilderei-Problem endlich in den Griff zu bekommen, hat der WWF einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt. Kernstück ist eine Anti-Wilderei-Offensive der Bundesländer und die Einrichtung von entsprechenden Stabsstellen bei den zuständigen Landeskriminalämtern oder den Umweltministerien.
Schockiert zeigte sich der WWF von einem ARD-Film, der vergangenen Sonntag ausgestrahlt wurde. Undercover-Recherchen zufolge bieten Jäger in Bayern illegale Jagdsafaris auf Luchse an. „Es scheint so, als hat sich in der Bundesrepublik um die Wilderei auf streng geschützte Tierarten ein kriminelles Netzwerk mit einer professionalisierten Wilderei-Industrie etabliert, die von illegalen Greifvogel-Präparaten bis zu verbotenen Jagdsafaris in heimischen Wäldern reicht“, so Dr. Diana Pretzell, Leiterin Fachbereich Naturschutz in Deutschland beim WWF. Laut WWF-Recherchen wurden seit dem Jahr 2000 in Deutschland 19 Wölfe und 5 Luchs illegale getötet. Hinzu kommen unzählige gewilderte Vögel wie Eulen, Adler und Falken, wobei die Statistik hier noch lückenhafter ist.
„Der WWF geht bei Wilderei-Kriminalität von einer hohen Dunkelziffer und von professionell agierenden, kriminellen Netzwerken aus“, so Pretzell. So sind seit 2010 allein in Bayern 14 Luchse spurlos verschwunden. Laut den ARD-Recherchen sind außerdem mindestens zwei Luchse, die angeblich bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen sind, in Wirklichkeit illegal getötet worden. Der WWF fordert daher, dass alle Untersuchungen zu angeblichen Wildunfällen mit Luchsen aus den vergangenen Jahren neu aufgerollt werden. Zukünftig sollten tot aufgefundene Luchse, ähnlich wie bei Wölfen bereits der Fall, standardmäßig forensisch untersucht werden.
„Wir befürchten, dass viele Wilderei-Verbrechen mitunter gar nicht erst als solche registriert geschweige denn aufgedeckt werden“, so Pretzell. „Die Innenminister der Länder müssen sich daher endlich auf geeignete, abgestimmte Maßnahmen verständigen und ein Zeichen setzen, aus dem deutlich wird, dass Wilderei auf streng geschützte Tiere kein Kavaliersdelikt ist.“ Der WWF daher die Einrichtung einer Nationalen Wildtierbehörde des Bundes. Sie soll nicht nur dem Schutz und der Förderung eines verbesserten Managements bedrohter Wildtiere dienen, sondern auch Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Wilderei unterstützen, sowie Artenschutzdelikte dokumentieren und zentral veröffentlichen. Außerdem braucht es laut WWF eine Ausbildungsinitiative für Justiz und Polizei. Das Thema Artenschutzkriminalität müsse stärker in der Regelausbildung von Beamten thematisiert werden, damit die Wilderei-Akten nicht als „zweitrangige Fälle“ in den Schreibtischschubladen verschwinden.