Amazonas auf der Kippe
WWF-Studie: Erfolge brasilianischer Schutzpolitik stehen auf dem Spiel
Berlin/Brasília - Der Regenwald im Amazonas sieht schweren Zeiten entgegen: Nach rund zehn Jahren brasilianischer Umweltpolitik, die von der Minderung der Entwaldung geprägt war, droht laut WWF nun eine radikale Kehrtwende. Nach Angaben der Umweltschützer haben sich im brasilianischen Parlament die Anhänger der Agrar-, Bergbau- und Energieindustrie formiert. Mit einer geplanten Verfassungsänderung namens PEC 215 (Proposta de Emenda a Constituição) und einem neuen Bergbau-Gesetz sollen staatliche und indigene Schutzgebiete aufgelöst werden können, wenn es kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen dient. Gleichzeitig würde die Ausweisung neuer Schutzgebiete de facto unmöglich gemacht. „Sollten die Lobbygruppen Erfolg haben, steht ein großer Teil des Amazonas vor der Vernichtung“, warnt Roberto Maldonado, Brasilien-Referent beim WWF Deutschland.
Dabei habe die bisherige Politik durchaus Fortschritte gebracht: Zwischen 2004 und 2014 konnte die Abholzung im brasilianischen Teil des größten Regenwaldgebiets der Erde um fast 80 Prozent gesenkt werden, so die WWF-Studie. „Kein anderes Land mit Tropenwäldern kann einen ähnlichen Erfolg vorweisen“, so Roberto Maldonado. In nur einer Dekade habe das Land staatliche und indigene Schutzgebiete von 600.000 Quadratkilometern geschaffen, was den addierten Flächen Deutschlands und Großbritanniens entspricht. Die Verringerung der Abholzung habe auch auf das Ziel Brasiliens eingezahlt, die Treibhausgasemissionen zu senken. So sei der Anteil der Waldvernichtung am gesamten CO2-Ausstoß von 57 Prozent im Jahr 2005 auf aktuell 22 Prozent zurückgegangen. Angesichts dieser erfolgreichen Ansätze sei es umso misslicher, dass das Land nun einen völlig anderen Weg einzuschlagen drohe.
Der WWF verweist auch auf die Gefahren, die mit der Abholzung des Regenwaldes für den Menschen einhergehen. Die aktuell im Großraum São Paulo herrschende Jahrhundertdürre mache deutlich, dass sowohl die Energiewirtschaft mit ihren Wasserkraftwerken als auch die Landwirtschaft von intakten Wäldern abhängig sind. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sei die Trockenheit vor allem auf die Zerstörung des Amazonas zurückzuführen. Statt die Entwaldung voranzutreiben, wäre daher eine großangelegte Aufforstung notwendig, um die Wasserversorgung in der Region zu sichern. Andernfalls drohe sich der Südosten des Kontinents langfristig in eine unfruchtbare Steppe zu verwandeln.