Offenbarungseid Dorsch
WWF kritisiert halbherzige Umsetzung der ersten Ostsee-Fangquoten unter neuer Fischereireform
Hamburg - Mehr Hering, mehr Scholle, weniger Dorsch - die EU-Fischereiminister haben heute festgelegt, wie viel Fisch im kommenden Jahr in der Ostsee gefangen werden darf. Alles in allem dürfen Fischer 667.000 Tonnen Fisch aus der Ostsee ziehen, eine Steigerung um 6,3 Prozent zum Vorjahr[1]. Erstmals musste die Quotenentscheidung nach den Regeln der neuen Gemeinsamen Fischereipolitik der EU getroffen werden, die seit diesem Januar in Kraft ist. „Die Reform verpflichtet die Minister, die Fangmengen so zu setzen, dass die Überfischung gestoppt und die Fischerei nachhaltig wird. Das schaffen die Minister nur bei einem mageren Drittel der Quotenentscheidungen“ kritisiert Karoline Schacht, Fischereiexpertin des WWF. „Die Fangmengen für Ostseedorsch treten das Grundprinzip der neuen Fischereipolitik mit Füßen.“ Für den westlichen Dorschbestand genehmigten die Minister zusätzlich zu der wissenschaftlichen Empfehlung eine Extraportion von 80 Prozent.
Wissenschaftler des Internationalen Rates zur Erforschung der Meere (ICES) hatten vor der unsicheren Situation beider Dorschbestände gewarnt und deshalb strengere Kürzungsvorschläge gemacht als die bisherigen Managementpläne n vorsahen, um die Fortpflanzungsfähigkeit bzw. das Anwachsen der Bestände sicherzustellen. Die Minister folgten diesen Vorsorgeansatz nicht und legten eine Fangmenge von 15.900 Tonnen für den westlichen Bestand (entspricht einer Kürzung um 7 % statt vorgeschlagener 53%) und 51.429 Tonnen für den östlichen Bestand (- 22% statt -53%) fest. „Der Dorsch steht stärker unter Druck als angenommen, jetzt den Notfallplan der Wissenschaftler in den Wind zu schlagen, gefährdet die Bestandserholung und missachtet die Grundidee der Fischereireform.“, so WWF-Expertin Schacht.
Eine der größten Herausforderung ist das ab Januar 2015 geltende Rückwurfverbot für Ostseefischereien auf Hering, Sprotte, Lachs und Dorsch. Es wird verboten sein, Beifang oder zu viel gefangenen Fisch wie bislang über Bord zu werfen. Aus Sicht des WWF ist dies eine echte Umsetzungshürde der Reform: „Jeder gefangene Fisch muss nun an Land gebracht und auf die Quote angerechnet werden, das ist prinzipiell gut für die Umwelt, erfordert aber bessere Kontrollen und entsprechende Sanktionen“, so Schacht. Es fehlten jedoch klare Hinweise für die Fischer, wie sie Regelbrüche im neuen Ablauf vermeiden. Auflagen untersagen es beispielsweise, für den menschlichen Verzehr bestimmten Fisch gemeinsam mit ehemaligem Rückwurf zu lagern oder auch nur zu transportieren. Hier sind auch die Fragestellungen, die sich aus den Hygienevorschriften ergeben, noch nicht hinlänglich geklärt. „Wir brauchen keine Halbherzigkeiten“, kommentiert Karoline Schacht. „Die Politik muss nun gezielt investieren sonst bleibt sie den letzten Schritt in Richtung einer nachhaltigen Fischerei schuldig.“
[1] Nicht berücksichtigt sind die Fangmengen für Lachs, die pro Stück angegeben werden