Emissionshandel wird zur Resterampe
WWF: Überschüssige Zertifikate aus Handel nehmen. / Wirtschaftsministerium gegen „Mini-Reförmchen“
Berlin/Brüssel - Die EU-Kommission hat am Dienstag die aktuellen Daten zum europäischen Emissionshandel veröffentlicht. Im Vergleich zu 2011 sind die Treibhausgasemissionen noch einmal um 1,4 Prozent gesunken. Nach einer von WWF beauftragten Studie wird die Zertifikaten-Schwemme rund zwei Milliarden CO2-Zertifikaten in 2012 erreichen. „Der europäische Emissionshandel droht zu einer billigen Resterampe zu verkommen. Das System funktioniert nicht mehr - und damit ist das Hauptinstrument der EU-Klimapolitik wirkungslos“, warnt WWF-Referentin Juliette de Grandpré. Es müssten mindestens 1,4 Milliarden der überschüssigen Zertifikate unverzüglich und dauerhaft aus dem Handel genommen werden. Außerdem seien die laschen EU-Klimaziele endlich zu verschärfen. „30 Prozent Treibhausgasemissionen weniger bis 2020 sind dringend erforderlich“, so de Grandpré.
Eine geplante Reform des Emissionshandels steht am 16. April im EU-Parlament zu Abstimmung. Die Vorschläge seien das absolut notwendige Minimum, so der WWF. In Zielen und Umfang würden diese das System zwar nicht langfristig stärken und schlagkräftiger machen, aber immerhin kurzfristig stabilisieren. „Was es jetzt braucht, ist ein klares Bekenntnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum europäischen Emissionshandel“, so die Forderung der WWF-Expertin. „Die deutsche Bundesregierung ist jedoch zerstritten. Während das Umweltministerium dieses Mini-Reförmchen begrüßt, lehnt das Wirtschaftsministerium sogar noch diesen Vorschlag ab.“ Nach den derzeitigen EU-Plänen werden zwar immerhin 900 Millionen CO2-Zertifikate aus dem Markt genommen, allerdings 2019 und 2020 wieder auf den Markt geworfen. Es sei geradezu absurd, dass sogar die Stromindustrie aus Planungssicherheitsgründen für eine Herausnahme der Zertifikate plädiere, und ausgerechnet das Wirtschaftsministerium diese verweigere.
Insgesamt sei nicht nur die kriselnde europäische Wirtschaft ab dem Jahr 2009 für den Überschuss verantwortlich. Vor allem falsche Rahmenbedingungen wie beispielsweise die großzügige kostenlose Zuteilung und Nutzung von flexiblen Mechanismen – etwa außerhalb von Europa erbrachte Emissionsreduktion, die angerechnet werden dürfen – hätten die Funktionsfähigkeit des Systems von Anfang an belastet. Deshalb sei eine Grundreform des Systems längst überfällig. Sonst müsste über nationalen Maßnahmen wie zum Beispiel ein Mindestpreis im Emissionshandel nachgedacht werden.