Als die Ampel-Koalition im Dezember 2021 ihren Koalitionsvertrag vorstellte, machte der WWF bereits den Klimacheck 2021. Vor allem die Ambition im Bereich der Energiewende bewerteten wir damals positiv. In anderen Bereichen, etwa in der Industrie, dem Gebäude- oder Verkehrssektor, gab es noch Luft nach oben. 

Ein Jahr später zieht der WWF erneut Bilanz. Was konnte die „Fortschrittskoalition“ auf den Weg bringen und welche Vorhaben wurden bereits umgesetzt? Ohne Zweifel ist die Ampel-Koalition direkt zu Beginn der Legislaturperiode mit großen Herausforderungen konfrontiert worden.

Ein Jahr im Zeichen der fossilen Energiekrise

Luisa Neubauer spricht beim Klimastreik am 22.10.2021 in Berlin © WWF / Alexander Puell
Luisa Neubauer spricht beim Klimastreik am 22.10.2021 in Berlin © WWF / Alexander Puell

Deutschlands einseitige Abhängigkeit vom Import fossiler Energien aus dem Ausland ist mit Beginn des Krieges in der Ukraine offengelegt worden. Doch während die Erneuerbaren Energien im politischen Diskurs zunächst als „Freiheitsenergien“ starken Aufwind erfuhren, setzen tatsächliche Entlastungsmaßnahmen bislang zu wenig auf zusätzliche Investitionen in eine schnellere Transformation.

Angesichts der fossilen Krise wurde vor allem die Diversifizierung der Bezugsquellen von Erdgas vorangetrieben. Beschlossene Maßnahmen zur Entlastung waren zunächst kaum verknüpft mit Anreizen zum Energiesparen. In Rekordtempo wurde neue Flüssiggas-Infrastruktur an den deutschen Küsten beauftragt und in Betrieb genommen. Gewährte Tankrabatte und mehr Kohleverstromung drohen nun, zum Rückschlag für den Klimaschutz zu werden.

Die WWF-Bilanz zum Download

Lichtblick für Erneuerbare Energien

Kohlefabrik nahe Köln © Andrew Kerr / WWF
Kohlefabrik nahe Köln © Andrew Kerr / WWF

Im Bereich der Erneuerbaren Energien wurde das Tempo deutlich angezogen. Windenergie und Photovoltaik sollen die Zugpferde einer klimafreundlichen Energieversorgung werden und bis 2030 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland decken. Damit dies tatsächlich umgesetzt werden kann, hat die Ampel im Frühjahr und Sommer 2022 im Eiltempo zahlreiche große Reformpakete auf den Weg gebracht. Erneuerbare Energien gelten nun als im überragenden öffentlichen Interesse und tragen zur Versorgungssicherheit bei.

Auch wurde mit dem sogenannten Windflächenbedarfsgesetz festgelegt, dass die Bundesländer bis spätestens 2032 durchschnittlich zwei Prozent ihrer Fläche für die Windenergie an Land zur Verfügung stellen müssen – eine längst überfällige Regelung. Diese und weitere Vorgaben müssen nun zügig Anwendung finden, denn noch fehlen die Flächen und Genehmigungsverfahren dauern zu lange.

Schnell gänzlich abgeschafft gehören pauschale Mindestabstände, die trotz der Reformen in einigen Ländern weiterhin gelten. Zudem sollte die Ampel noch eine umfassende Solarpflicht einführen, zuständige Behörden besser ausstatten und den Aufbau einer innereuropäischen Wertschöpfungskette für Erneuerbare Energien voranbringen. 

Weiterhin zu viele schädliche Subventionen

Ein struktureller Ab- und Umbau der klimaschädlichen Subventionen ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Durch Tankrabatt und Gaspreisbremse werden klimaschädliche Staatsausgaben sogar erhöht. Ein fatales Signal für den Klimaschutz und die Transformation ist zudem, dass der CO2-Preis zunächst eingefroren wird. Die Entlastungswirkung dieser Maßnahme ist verschwindend gering.

Um Bürger:innen gegen hohe Energiepreise zu schützen, braucht es gezieltere Maßnahmen für Haushalte mit geringem Einkommen. Das hätte man über die Einführung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Klimageldes schaffen können. Doch dessen Umsetzung steht noch immer aus.

Im Industriesektor braucht es einen verlässlichen Transformationsrahmen – beispielsweise für die Definition des Schutzes vor Carbon Leakage. Die freie Zuteilung im EU-Emissionshandel muss zügig abgeschafft werden. Die Vorschläge zu Carbon Contracts for Difference gehen in die richtige Richtung. Sie unterstützen Unternehmen auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Produktionsweise. Gerade angesichts der fossilen Energiekrise sollten Anreize für Investitionen in die Transformation bestehen bleiben – etwa indem entlastete Unternehmen zeigen müssen, wie sie mit zusätzlichen Investitionen die Dekarbonisierung der Industrie vorantreiben.

Sektorziele im Klimaschutzgesetz erhalten

Autobahnstau © Ralph Frank / WWF
Autobahnstau © Ralph Frank / WWF

Die Umstellung auf Erneuerbare Energien und die damit einhergehende Elektrifizierung der Verbrauchssektoren braucht entsprechende Signale. Deshalb wurden im Klimaschutzgesetz auch jährliche Einsparungsziele für jeden Sektor festgelegt, die regelmäßig durch den Expert:innenrat überprüft werden. Verfehlt ein Sektor das eigene Einsparziel, muss das zuständige Ministerium ein Sofortprogramm vorlegen, dass den Sektor wieder zurück auf den entsprechenden Minderungspfad bringt. 

Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampel eine Weiterentwicklung des Klimaschutzgesetzes vorgenommen und ein umfassendes Klimaschutzsofortprogramm angekündigt, in dem jeder Sektor seinen Beitrag leisten soll. Doch dieses Klimaschutzsofortprogramm liegt noch immer nicht vor, weil sich die Bundesregierung nicht einigen kann. Streitpunkt sind dabei offenbar die jahresscharfen Sektorziele, welche zuletzt vor allem im Verkehrssektor deutlich verfehlt wurden. Die Ampel-Regierung sollte dieses Instrument unbedingt aufrecht erhalten, denn es ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für verbindliche Klimaschutzmaßnahmen in den Sektoren und erlaubt das klare Zuweisen von Verantwortlichkeiten innerhalb der Regierung. 

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