Unter derselben Staubglocke

Wie EU-Kohlestaaten den ganzen Kontinent schädigen - Analyse der grenzüberschreitenden Luftverschmutzung und Klimaauswirkungen

Kohlekraftwerk © Andrew Kerr / WWF
Kohlekraftwerk © Andrew Kerr / WWF

Kohlekraftwerke kennen keine Grenzen – ihre Emissionen in Form von Feinstaubpartikeln und klimaschädlichen Treibhausgasen verschmutzen länderübergreifend. Ein EU-weiter Kohleausstieg würde daher allen Bürgern des Kontinents zu Gute kommen. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie, die die Health and Environment Alliance (HEAL), WWF, Climate Action Network (CAN) und Sandbag heute veröffentlicht haben.  

 

Der Report mit dem Titel „Europe’s Dark Cloud“ zeigt erstmals die grenzüberschreitenden Gesundheitsfolgen durch Luftverschmutzung von europäischen Kohlekraftwerken. Dabei sind Auswertungen von 257 der 280 Kraftwerke verfügbar. Diese zeigen, dass die Emissionen aller Kraftwerke für 22.900 vorzeitige Todesfälle, zehntausende von Herz- und Lungenkrankheitsfällen und bis zu 62,3 Milliarden an Gesundheitskosten verantwortlich sind.

 

Die fünf EU-Staaten, die mit schmutzigen Kohlekraftwerken am meisten den Kontinent belasten, sind Polen, dessen Kraftwerke jährlich europaweit 5.830 vorzeitige Todesfälle verursachen, Deutschland mit 4.350 Fällen sowie  Großbritannien (2.860), Rumänien (2.170) und Bulgarien (1.570).

 

Die fünf EU-Staaten, die am meisten unter Kohleschadstoffen  leiden, sind Deutschland (3.630 vorzeitige Todesfälle durch eigene und fremde Kraftwerke), Großbritannien (2.100), Polen (1.860), Italien (1.610) und Frankreich (1.380).

 

Die Studie stellt klar, dass jedes einzelne geschlossene Kohlekraftwerk eine deutliche Verbesserung für die gesundheitliche Situation der Anwohner aber auch für Menschen in der weiteren Umgebung und sogar in Nachbarländern bedeutet: Der in Großbritannien bis 2025 geplante Kohleausstieg könnte jährlich bis zu 2870 vorzeitige Todesfälle verhindern – davon mehr als 1300 auf dem europäischen Festland. Ein deutscher Kohleausstieg könnte in der Bundesrepublik jedes Jahr mehr als 1860 vorzeitige Todesfälle verhindern und im Ausland sogar 2490.

 

„Der Report bestätigt erneut, dass unsere Abhängigkeit von Kohlestrom auf den Rücken der Menschen ausgetragen wird und alle Europäer einen hohen gesundheitlichen Preis dafür zahlen. Im Alleingang wird jedoch kein EU-Land das Problem der Luftverschmutzung lösen können. Wir hoffen daher, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten sich die Ergebnisse wirklich zu Herzen nehmen und für saubere Luft kämpfen“, sagt Julia Huscher, Referentin für Energie und Gesundheit von der Health and Environment Alliance (HEAL).

 

„Eines ist klar: Wir brauchen einen europaweiten Kohleausstieg. Das muss sowohl von der EU-Klimapolitik  als auch in den Kohleländern selbst vorangetrieben werden.  Kohlestromerzeugung hat verheerende Folgen für das Klima und die Gesundheit der Europäer. Es liegt im Interesse aller, gemeinsam einen Kohleausstieg in allen EU-Staaten einzuleiten“, sagt Viviane Raddatz, Klimaschutzreferentin beim WWF Deutschland. „Für Deutschland fordern wir, vorauszugehen und in den kommenden Monaten einen sozialverträglichen Fahrplan zum Ausstieg aus der Kohleverstromung zu beschließen, der bis spätestens 2035 komplett umgesetzt wird.“

 

Hintergrund:

Weiterführende Zitate - Fachmediziner unterstützen die Aussagen des „Dark Cloud“ Reports: 

„Die Ergebnisse der Studie beruhen auf dem aktuellen Wissensstand zu den Auswirkungen von Feinstaub und den Erkenntnissen großer epidemiologischer Studien. Die Zahlen zeigen somit in korrekter Weise auf, wie groß die Auswirkungen der Kraftwerksemissionen auf die Sterblichkeit sind. Insbesondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle spielen bei den Folgen der Feinstaubbelastung eine gravierende Rolle“, sagt Prof. Dr. Annette Peters, Leiterin des Instituts Epidemiologie II, Helmholtz-Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt. 

 

„Autoabgase waren in letzter Zeit beständig Thema in der Presse, doch andere Feinstaubquellen wie  Kohlekraftwerke sind genauso wichtig. Der „Dark Cloud“-Report zeigt klar auf, das Kohlekraftwerke eine nicht zu vernachlässigende Quelle für Luftschadstoffemissionen sind. Außerdem legt die Studie zum ersten Mal offen, wie EU-Nachbarstaaten sich mit ihren Kohlekraftwerken gegenseitig schädigen und welche Gesundheitsfolgen und -kosten dadurch in den einzelnen Ländern entstehen. Diese Zahlen liefern ein weiteres starkes Argument für einen Ausstieg aus der Kohleverstromung“, sagt Dr. Joachim Heinrich, Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität, München.

 

„Millionen von Menschen sterben weltweit jedes Jahr an den Folgen der Luftverschmutzung. Der Klimawandel bringt steigende Temperaturen mit sich, die das Problem verschärfen werden. Doch es gibt eine gute Nachricht: Denn indem wir weniger fossile Energien nutzen  - und das betrifft auch Kohle – können wir die Luftqualität steigern, den Klimawandel abschwächen und einen Beitrag zur Lösung der größten Herausforderung für die öffentliche Gesundheit liefern“, sagt Dr. Roberto Bertollini, Leitender Wissenschaftler und Repräsentant der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei der Europäischen Union.

 

„Für keine andere Energiequelle zahlen wir einen so hohen Preis an externen Gesundheitskosten wie bei Kohle. Die Kosten für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen lassen sich zum Teil durch damit einhergehende sinkende Gesundheitskosten finanzieren“, bemerkt Professor Paul Wilkinson, London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM). 

 

„Diese Studie liefert vertiefende Informationen zu den schädlichen Folgen, die Kohleverstromung für unsere Gesundheit hat. Sie zeigt uns, dass dieses Problem jeden angeht. Die schädlichen Abgase und Feinstaubemissionen jedes einzelnen Kraftwerks können krank machen und der Volksgesundheit teuer zu stehen kommen. Daher brauchen wir einen kompletten Kohle-Ausstieg“, fordert Dr. Michal Krzyzanowski, ehemals Experte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu Luftqualität und derzeit Visiting Professor der Environmental Research Group des King’s College London.

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WWF Presse-Team