Zivilgesellschaft fordert Nachschärfung der nationalen Klimaziele
Über 40 Organisationen legen gemeinsamen „Klimaschutzplan 2050“ vor
Kurz vor der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens am Freitag in New York appelliert ein breites Spektrum von über 40 Organisationen an die Bundesregierung, die nationalen Klimaschutzziele zu verschärfen und dies gesetzlich festzuschreiben. Für das Jahr 2050 müsse das deutsche Klimaschutzziel auf mindestens 95 Prozent weniger CO2 im Vergleich zu 1990 angehoben werden. Dies erforderten die Pariser Klima-Beschlüsse, mit denen sich die Weltgemeinschaft auf eine Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad, und wenn möglich unter 1,5 Grad Celsius, geeinigt hat. Derzeit liegt das deutsche Klimaziel für das Jahr 2050 bei 80 bis 95 Prozent CO2-Reduktion.
In einem in Berlin vorgestellten „Klimaschutzplan 2050 der Zivilgesellschaft“ heißt es, dass ein ambitionierter Klimaschutzpfad nur eingeschlagen werde, wenn Deutschland sein Reduktionsziel von 40 Prozent weniger CO2 bis 2020 erreicht. Dafür sei u. a. ein zusätzliches Abschalten von Braunkohlekraftwerken notwendig.
Mit ihren Vorschlägen wollen die Organisationen der Bundesregierung einen national und international angemessenen Rahmen für deren Klimaschutzplan 2050 setzen. Dieser soll vom Kabinett noch vor dem Sommer verabschiedet werden. In ihrem Papier analysieren die Verfasser des „Klimaschutzplans 2050 der Zivilgesellschaft“ sämtliche relevanten Bereiche, von der Energiewirtschaft über den Verkehr, die Industrie, den Handel und den Gebäudebereich bis zur Landwirtschaft.
Zu den Unterzeichnern gehören u. a. Umweltverbände wie Greenpeace, der WWF, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Germanwatch und der Verkehrsclub Deutschland e. V. sowie die Entwicklungsorganisationen Misereor, Brot für die Welt, Islamic Relief Deutschland und Oxfam, die Evangelische Kirche der Pfalz, die Nordkirche und viele mehr.
„Paris war ein wichtiger Meilenstein im internationalen Klimaschutz. Jetzt muss auch Deutschland seine Hausaufgaben machen. Die CO2-Emissionen sind zuletzt wieder gestiegen, die Klima- und Effizienzziele für das Jahr 2020 werden deutlich verfehlt und mit der geplanten EEG-Novelle wird der Ausbau der erneuerbaren Energien ausgebremst“, sagt die stellvertretende BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock. „Die Bundesregierung muss mit ihrem Klimaschutzplan einen sicheren Pfad abstecken, wie Deutschland in den nächsten 35 Jahren seine CO2-Emissionen auf nahezu Null reduzieren kann. Unser von über 40 Organisationen gemeinsam veröffentlichtes Klimaschutz-Programm zeigt die Richtung, in die es gehen muss“, so von Broock.
Nötig seien auch ambitioniertere Zwischenziele für die Jahre 2030 und 2040 und die Festsetzung entsprechender Unterziele für den Energie-, Verkehrs-, Industrie- und Gebäudesektor sowie die Landwirtschaft in einem Klimaschutzgesetz. Das Bündnis forderte die Bundesregierung darüber hinaus auf, noch in dieser Legislaturperiode den Kohleausstieg bis 2035 gesetzlich festzuschreiben. Ein geregelter Kohleausstieg gewährleiste Planungs- und Investitionssicherheit und ermögliche die Einleitung des notwendigen Strukturwandels in den betroffenen Regionen.
„Die Bundesregierung muss den Klimaschutz voranbringen und für die Menschen in den Kohleregionen Klarheit sowie sozialverträgliche Perspektiven schaffen. Es darf keine neuen Tagebaue geben, im Gegenteil: Der größte Teil der Braunkohle darf überhaupt nicht gefördert werden“, sagt Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. „Deutschland muss jetzt mit einer konsequenten Fortsetzung seiner Energiewende die Chancen ergreifen, die eine klimafreundliche Wirtschaft bietet. Klimaschutz ist auch ein Innovationsmotor, der Wohlstand und Arbeit schafft. Nur so kann Deutschland seinen Beitrag leisten für die Entwicklung einer nachhaltigen, inklusiven und gerechten Weltwirtschaft, wie sie im vergangenen Jahr beim UN-Gipfel in New York und beim Klimagipfel in Paris beschlossen wurde."
Thilo Hoppe, entwicklungspolitischer Beauftragter bei Brot für die Welt, fordert die Bundesregierung auf, beim globalen Klimaschutz weiterhin eine Vorreiterrolle einzunehmen: „Damit das Pariser Abkommen Wirkung entfaltet, brauchen wir globale Vorreiter. Die Bundesregierung hat als Mitglied der Koalition der Ehrgeizigen einen großen Beitrag geleistet, die verletzlichsten Staaten für das Paris-Abkommen zu gewinnen. Diese werden genau beobachten, ob Deutschland auf nationaler Ebene umsetzt, was es in den globalen Klimavertrag hineinverhandelt hat.“
Bei den Pariser Klimaverhandlungen sei die Verankerung des 1,5 Grad-Erderwärmungslimits entscheidend dafür gewesen, dass auch die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Entwicklungsländer das Abkommen mitgetragen hätten. „Ein halbes Grad weniger Erderwärmung bedeutet für die Menschen in verletzlichen Ländern weniger Zerstörung durch Wetterextreme wie Dürren und Hurrikans und schlicht eine höhere Chance, zu überleben“, so Hoppe.
Die Unterzeichner des „Klimaschutzplans 2050 der Zivilgesellschaft“:
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V., Aktionsgemeinschaft Artenschutz e.V., Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der Gliedkirchen der EKD, Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung Bundesverband e.V., B.A.U.M. e.V., Bergwaldprojekt e.V., Bundesverband Erneuerbare Energie e. V. (BEE), Bundesverband für Umweltberatung e.V., BildungsCent e.V., Bioland e.V., Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., Brot für die Welt , BUND, Demeter e.V., Diözesanrat der Katholiken im Bistum Aachen, Deutscher Naturschutzring e.V., Evangelische Kirche der Pfalz, Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, Germanwatch e.V. , Green City e.V., Greenpeace Deutschland, Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen, Islamic Relief Deutschland e. V., kate - Umwelt & Entwicklung, Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 NRW, Misereor, Zentrum für Mission und Ökumene - nordkirche weltweit, NABU, NaturFreunde Deutschlands, Naturland e.V., Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland, Oxfam Deutschland, PLÄDOYER für eine ökumenische Zukunft, Stiftung Zukunftsfähigkeit, SÜDWIND e.V., Verkehrsclub Deutschland, Vegetarierbund Deutschland e.V., Vereinte Evangelische Mission, Women in Europe for a Common Future, WissenLeben e.V., WWF Deutschland.