Warnstufe Rot
WWF Studie sieht jedes zweite Weltnaturerbe in Gefahr durch Abbau fossiler Energien, Infrastrukturprojekte und andere industrielle Aktivitäten
Knapp die Hälfte aller UNESCO-Weltnaturerben sind durch Öl- und Gasbohrungen, Bergbau, Überfischung, illegalen Holzeinschlag oder große Infrastrukturprojekte wie Häfen, Autobahnen oder Dämme in ihrer Existenz bedroht. Dies hat ein neuer Bericht der Dalberg Global Development Advisors im Auftrag des WWF ermittelt.
Für den Bericht wurden die wirtschaftlichen Aktivitäten in und um die weltweit insgesamt 229 Weltnaturerben untersucht. Die Hälfte, also 114 dieser Naturgebiete seien akut in Gefahr, da hier entweder bereits Bergbauaktivitäten sowie Öl- und Gasförderung stattfänden oder entsprechende Konzessionen vergeben worden seien oder aber andere industrielle Aktivitäten sie bedrohten. Besonders dramatisch sei die Situation in Zentral- und Südafrika, wo 71 Prozent der Gebiete bedroht seien, in Südasien mit 58 Prozent sowie in Ostasien und der Pazifikregion wo 55 Prozent gefährdet seien. In Lateinamerika und der Karibik seien mit 54 Prozent ebenfalls mehr als die Hälfte des geschützten Welterbes in Gefahr.
Die Naturschützer rufen daher Regierungen auf, die Weltnaturerbegebiete konsequenter als bisher zu schützen. Unternehmen fordert der WWF auf, alles unterlassen, was die Schutzgebiete gefährden könnte. Banken und andere Finanziers dürften schädliche Entwicklungsprojekte und daran beteiligte Firmen nicht länger mit Krediten unterstützen.
„Ungezügelte Ausbeutung macht vor den schönsten Naturparadiesen nicht Halt. Politik und Öffentlichkeit müssen den Druck erhöhen, um keine Schlupflöcher bei ihrem Schutz zu akzeptieren und die Industrie in ihre Schranken zu verweisen. Diese einzigartigen Naturgebiete sind für die ganze Menschheit von genau so großer Bedeutung wie die Kulturgüter“, sagt Günter Mitlacher vom WWF Deutschland.
Das Beispiel Wattenmeer zeige, dass Weltnaturerbestätten auch in Deutschland nicht sicher seien. Seit Jahren wird inmitten des dortigen Nationalparks Öl gefördert. Die Öl-Insel sowie die häufig mit ihr verbundenen Baumaßnahmen belasten das Wattenmeer massiv und sind ein ständiges Risiko für einen Ölunfall. Dennoch wurden sogar Anträge für weitere Explorationsbohrungen gestellt. Dabei sei die Ölförderung keineswegs die einzige Bedrohung: Auch die Folgen von Schifffahrt, Industrialisierung und Fischerei gefährden das Weltnaturerbe Wattenmeer. Die größte Bedrohung sei die Klimawandel bedingte Beschleunigung des Meeresspiegelanstieges, die das Wattenmeer langfristig sogar zerstören könne.
Weltnaturerben sind Orte von universeller Bedeutung für die Menschheit wie zum Beispiel die Galapagos Inseln, der Grand Canyon, das Belize Barrier Reef oder das Selous-Reservat in Tansania. Sie liefern Trinkwasser, sichern Arbeitsplätze und tragen durch Tourismus, Naherholung und nachhaltige Ressourcenverwendung zu den Volkswirtschaften der Länder bei. Darüber hinaus sind sie Heimat vieler bedrohter Tierarten. Elf Millionen Menschen seien direkt für ihre Lebensgrundlagen auf Weltnaturerbestätten angewiesen. Diese Orte seien auch ein wichtiger Faktor um die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zu erreichen, so der WWF. Alle Weltnaturerbestätten zusammen umfassen ein halbes Prozent der Erdoberfläche.
Hintergrund
Die Welterbekonvention
Am 16. November 1972 hat die UNESCO das <link http: whc.unesco.org en convention>„Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt" verabschiedet. Es ist das international bedeutendste Instrument, das jemals von der Völkergemeinschaft zum Schutz ihres kulturellen und natürlichen Erbes beschlossen wurde. Nach Angaben der Deutschen UNESCO-Kommission haben 191 Staaten das Übereinkommen unterschrieben (Stand 2014).
Die Leitidee des Welterbe-Übereinkommen ist die „Erwägung, dass Teile des Kultur- oder Naturerbes von außergewöhnlicher Bedeutung sind und daher als Bestandteil des Welterbes der ganzen Menschheit erhalten werden müssen". Mit der Unterzeichnung der Konvention verpflichten sich die Vertragsstaaten, die innerhalb ihrer Grenzen gelegenen Welterbestätten zu schützen und für zukünftige Generationen zu erhalten.
Inzwischen stehen über 1000 Kultur- und Naturerbestätten aus 161 Staaten aller Kontinente auf der <link http: www.unesco.de kultur welterbe welterbeliste.html>Liste des UNESCO-Welterbes; davon sind 779 Kulturdenkmäler und 197 Naturdenkmäler sowie 32 Stätten, die beiden Kategorien angehören. Deutschland hat bisher 40 Stätten für die Welterbeliste benannt.
Neben dieser Liste führt die UNESCO eine sog. <link http: www.unesco.de kultur welterbe welterbeliste rote-liste.html>„Rote Liste“, auf der die gefährdeten Welterbestätten verzeichnet sind (World Heritage in Danger). Nach Artikel 11 der Welterbekonvention werden in diese Liste Stätten aufgenommen, die durch ernste Gefahren bedroht sind und für deren Erhaltung umfangreiche Maßnahmen erforderlich sind. Derzeit stehen 46 Welterbestätten auf der „Roten Liste", darunter die Altstadt von Aleppo in Syrien (seit 2013) und der Nationalpark Virunga (seit 1994).
Kriterien für Naturerbe-Gebiete
Nach Artikel 2 des Übereinkommens gelten als <link http: www.unesco.de infothek dokumente uebereinkommen welterbe-konvention.html>„Naturerbe"
· Naturgebilde, die aus physikalischen und biologischen Erscheinungsformen oder -gruppen bestehen, welche aus ästhetischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind;
· geologische und physiographische Erscheinungsformen und genau abgegrenzte Gebiete, die den Lebensraum für bedrohte Pflanzen- und Tierarten bilden, welche aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind;
· Naturstätten oder genau abgegrenzte Naturgebiete, die aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung oder natürlichen Schönheit wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind.
Es ist in erster Linie die Verantwortung jedes Staates, Erfassung, Schutz und Erhaltung der Welterbestätten zu gewährleisten sowie seine Weitergabe an künftige Generationen sicherzustellen. Er verpflichtet sich, hierfür alles in seinen Kräften Stehende zu tun.