“Rote Liste“ immer schwärzer
WWF: Immer mehr „Todeskandidaten“ auf der Roten Liste der bedrohten Arten. / Iberischer Luchs: Artenschutz braucht "ganzheitlichen Ansatz"
Immer mehr Tier- und Pflanzenarten werden zu potentiellen Todeskandidaten auf der „Roten Liste“ - und der Mensch trägt daran die Hauptschuld, warnt die Naturschutzorganisation WWF anlässlich der Veröffentlichung der Roten Liste 2015 durch die Weltnaturschutzunion IUCN. „Der Mensch verursacht das größte Massenaussterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier. Immer mehr Arten geht es an den Kragen. Lebensraumzerstörung, Wilderei und der Klimawandel setzen ihnen zu. Viele Arten leben daher in immer kleiner werdenden Gebieten und sind dadurch stark gefährdet.“, warnt Eberhard Brandes, der Geschäftsführender Vorstand des WWF Deutschland.
Viele Tiere und Pflanzen werden, so die Befürchtung des WWF, ausgestorben sein, bevor sie überhaupt entdeckt worden sind. Bisher sind nur etwa zwei Millionen der insgesamt rund 10 Millionen vermuteten Arten weltweit wissenschaftlich beschrieben. Und selbst von diesen zwei Millionen wird nur ein kleiner Teil überhaupt von der Roten Liste erfasst. Die Rote Liste enthält mit der Aktualisierung 2015 knapp 77.000 Arten, von denen 22.800 in ihrem Bestand akut bedroht sind.
Es gibt aber auch positive Nachrichten: So gilt der Iberische Luchs nur noch als „stark bedroht“ und nicht mehr als „Vom Aussterben bedroht“. Die Population dieser südeuropäischen Katzenart hat sich von 2002 bis 2012 verdreifacht auf inzwischen 156 erwachsene Tiere. Dieser Erfolg, an dem auch der WWF mit seinen Projekten beteiligt ist, wird nach IUCN-Einschätzung nur durch ein ganzheitliches Herangehen erreicht. Lebensraumschutz, Nachzucht und Auswilderung, Aufklärungsarbeit und Wildereibekämpfung müssten stets Hand in Hand gehen.
Ähnliche weitere Beispiele seien etwa das Wisent oder das Przewalski Wildpferd – beide gab es nur noch in menschlicher Obhut und sie galten als „in freier Wildbahn ausgestorben“ – durch Wiederansiedlungsmaßnahmen wurden sie jedoch gerettet.
„Die Erfolge zeigen, dass sich der Aufwand lohnt und stark gefährdete oder sogar in der Wildnis ausgestorbene Tierarten gerettet werden können“, so Brandes. Ein Schlüssel für eine erfolgreiche Trendwende sei, dass Arten- und Naturschutz endlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen würden. „Es braucht systematische Bildungsarbeit, um die Bedeutung der biologischen Vielfalt für uns und unser Leben auf diesem Planeten im Bewusstsein der Menschen zu verankern. Das fängt mit erlebnisorientierter Umweltbildung im Kindergarten an und geht bis zum Studium. Biodiversität muss endlich in all den unterschiedlichen Fachrichtungen verankert werden, vom Ingenieurswesen bis zu den Wirtschaftswissenschaften“, fordert WWF-Vorstand Brandes.
Unter den „Todeskandidaten“, deren Aussterberisiko als hoch und sehr hoch eingeschätzt wird, finden sich weiterhin so charismatische Vertreter wie der Afrikanische Elefant („Gefährdet“), der Tiger („Stark gefährdet“) oder das Spitzmaulnashorn („Vom Aussterben bedroht“). Neu hinzugekommen ist der Westafrikanische Löwe – in dieser vom Aussterben bedrohten Population leben nur noch knapp 200 erwachsene Tiere.
Auch vor der Pflanzenwelt macht die Aussterbewelle nicht halt: derzeit sind alle 84 Frauenschuharten in den asiatischen Tropen bedroht. Zwar stünden diese Orchideen unter dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen CITES, aber mangels strafrechtlicher Verfolgung blühe der illegale Handel, so die WWF-Kritik. Außerdem hat die IUCN 44 Medizinal-Pflanzen aus Indien auf die Rote Liste gesetzt. Sie werden teilweise massenhaft geerntet, um in der Ayurvedischen und homöopathischen Medizin eingesetzt zu werden.