Transformation der Wirtschaft, Erhalt von Lebensräumen und deutliche erhöhte Naturschutzfinanzierung - das Weltnaturabkommen (Kunming-Montréal-Abkommen) setzt die global vereinbarte Richtschnur für die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen. Doch die Jubelstimmung aus Montréal ist vergangen, die Bundesregierung ist nicht auf Kurs bei der Umsetzung des Abkommens, bilanziert der WWF vor dem ersten Jahrestag des Abkommens am 19. Dezember. Florian Titze, WWF-Experte für internationale Politik, sagt: „Wir machen uns große Sorgen, dass die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen von der politischen Agenda fällt. Die Bundesregierung hat einiges versprochen, aber Biodiversität scheint für zwei der drei Ampelparteien kein Thema zu sein. So hapert es bei der nationalen Umsetzung des Abkommens gerade in Bezug auf die Biodiversitätsfinanzierung und die nationale Biodiversitätsstrategie. Das kommende EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur macht allerdings Hoffnung.”
Hauptkritikpunkt aus Sicht des WWFs: Die Finanzierung für den globalen Biodiversitätserhalt fließt noch nicht wie versprochen an Länder des globalen Südens. Dabei hatte Bundeskanzler Olaf Scholz eine Erhöhung auf mindestens 1,5 Milliarden pro Jahr bis 2025 versprochen. Im Haushalt 2024 fehlt allerdings von dem nötigen Aufwuchs der Gelder noch jede Spur. Titze sagt: „Die feierlich verabschiedeten Ziele lösen sich in Luft auf, wenn selbst ein reiches Industrieland wie Deutschland nicht das versprochene Geld bereitstellt. Die Bundesregierung riskiert, die erst vor einem Jahr mit fast 200 Staaten gemachten Vereinbarungen zu reißen. Die Natur kümmert sich nicht um die Haushalts- und Schuldenbremse. Neben dem Vertrauensverlust stehen die Biodiversitätshotspots der Erde auf dem Spiel, von denen die Lebensgrundlagen aller Menschen abhängen. In den Ländern des globalen Südens liegt ein Großteil der noch intakten Biodiversität.“
Im Weltnaturabkommen haben sich die Länder verpflichtet, bis zur nächsten Vertragsstaatenkonferenz 2024 ihre neuen nationalen Strategien vorzulegen, mit denen sie die insgesamt 23 globalen Ziele vollständig umsetzen wollen. Deutschland hat hier noch viel Arbeit zu erledigen. „Die Neuauflage der nationalen Biodiversitätsstrategie, die gerade erarbeitet wird, ist bisher weder konkret in der Zielsetzung noch ausreichend ambitioniert“, kritisiert Titze.
Der Blick auf die gesamte europäische Union stimmt hoffnungsvoller. Nach einer schwierigen Debatte in Brüssel steht die Naturwiederherstellungsverordnung (EU Nature Restoration Law), wenn auch empfindlich geschwächt, kurz vor der Verabschiedung. Mit ihr soll ein Teil des Weltnaturabkommens in europäisches Recht übertragen werden. Die Verordnung wird nach ihrer Verabschiedung das weltweit erste Gesetz zur weitreichenden Wiederherstellung von Ökosystemen überhaupt sein. Sie sorgt dafür, dass beispielweise Moore und Wälder in Europa renaturiert werden.
„Jubel allein hat noch keine Art vor dem Aussterben gerettet“, sagt Titze. Doch auch letztes Jahr auf der Weltnaturkonferenz sah es erst nach einem Scheitern aus, bevor die Staatengemeinschaft noch im letzten Moment den gemeinsamen Willen aufbrachte, ein vielversprechendes globales Abkommen auf den Weg zu bringen. „Wir können noch die Kurve bekommen. Hierzulande heißt das, dass die Bundesregierung mit Taten statt mit heißer Luft gegen die Artenkrise vorgehen muss“, resümiert er.