In 3 Jahren mit intensiven Recycling-Versuchen hat sich das Materialrecycling für Geisternetze als eine extreme Herausforderung herausgestellt. Nur wenn das Material rein genug ist, kann es zu Nylon oder Polyethylen Granulat eingeschmolzen und als Recyclat zurück in den Rohstoffkreislauf eingebracht werden. Dies ist jedoch bei Geisternetzen nur sehr selten der Fall.
Gerissene und von Fischern aussortierte Netze können in die Bestandteile sortiert und zum Teil dem Wertstoffkreislauf wieder zugeführt werden. Netzteile aus reinem Nylon, Polyethylen oder Polypropylen können bei Firmen in Dänemark oder Slowenien zu Pellets oder Garnen recycelt werden. Jedoch müssen diese Netze sortenrein in die Plastiksorten getrennt sein und dürfen keine Verunreinigungen mehr enthalten. Die Situation für aus dem Meer geborgene Geisternetze sieht jedoch ganz anders aus als für ausrangierte Fischernetze.
Geisternetze sind schwer zu recyceln
Besonders der feine Ostseesand und die Bleileinen, die als Beschwerung an Stellnetzen angebracht sind, erschweren die Verarbeitung. Sand verfängt sich in den geflochtenen Fasern und lässt sich nicht auswaschen. Das feine Ostsee-Sediment sorgt wie Schmirgelpapier für Abrieb in den Maschinen und macht den entstehenden Kunststoff brüchig. Bleileinen werden beim Zerkleinern der Geisternetze zu kleinen Stückchen zerrieben, so dass das Umweltgift Blei in die Recyclingprodukte gelangen könnte, was in jedem Fall vermieden werden muss. Die Mischung aus Müll und Netzteilen, die der WWF in den allermeisten Fällen vom Ostseegrund fischt, ist kaum in sortenreines Material zu trennen.
Auf der Suche nach Verwertungswegen für Geisternetze
Fischer und Taucher finden weiterhin alte Netze am Meeresgrund. Selbst in einer achtsamen Fischerei kann der Verlust von Netzen nicht zu 100% vermieden werden, auch wenn dies heute sehr viel seltener geworden ist. Daher brauchen wir Wege, geborgene Netze ökologisch sinnvoll zu entsorgen, wenn der Weg ins Recycling zu aufwändig ist. In Deutschland wird der meiste gemischte Plastikmüll zur Energiegewinnung verbrannt. Jedoch dürfen auch Verbrennungsanlagen kein bleihaltiges Material annehmen.
Kann man Bleileinen zuvor entfernen, ist die Verbrennung zur Energiegewinnung deutlich einfacher als das Recycling. Die Verunreinigung mit organischem Material von Meerestieren und Algen und mit Sand ist dabei kein Problem, die Netzfasern müssen nicht gereinigt werden. Dies spart Energie, Kosten und sehr viel Zeit, setzt aber voraus, dass die wenigen Millimeter kleinen Bleigewichte aus den Senkleinen effizient entfernt werden können. Hierzu entwickelt der Gewerbemüll-Sortierer Brockmann GmbH gerade ein Verfahren, bei dem nicht-magnetisches Metall aus zerkleinerten Netzen aussortiert werden kann. Wenn dies gelingt, ist ein Weg gefunden, Geisternetze im bestehenden Entsorgungssystem in Deutschland zu verwerten und aus dem Plastik kann Energie gewonnen werden.
WWF testet alternative Verwertungswege
Im Projekt MARELITT Baltic hat der WWF auch alternative Verwertungswege getestet, bei denen Geisternetzfasern zu Öl und Gas verdampft wurden. Als besonders effizient hat sich die Verdampfung bei über 1000 Grad Celsius herausgestellt. In einer Verdampfungsanlage können zerkleinerte Netzfasern zu Energiegas umgewandelt werden. Das Blei und der Sand werden als Feststoffe ausgeschieden. Die Hochtemperatur-Verdampfung war der einfachste Weg, um Energie aus Geisternetzen zu erzeugen und die Bleistückchen, die sonst als Sondermüll entsorgt werden müssten, für das Metallrecycling aus den Netzfasern zurückzugewinnen. Leider ist dieses Verfahren noch in der Testphase und bisher nicht industriell verfügbar. Da es zur Zeit auch für anderen Sondermüll wie Elektronikschrott erprobt wird, wäre es ein sehr guter Weg, die vergleichsweise geringen Mengen an Geisternetzen gemeinsam mit anderen schwierigen Abfällen sinnvoll zu verwerten.
Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Geisternetzen
Die Ergebnisse sind in den Erfahrungsbericht für MARELITT Baltic eingeflossen, in dem der WWF Handlungsempfehlungen für den Umgang mit geborgenen Fischernetzen zur Verfügung stellt. Diese Handlungsempfehlungen werden in die Politik eingebracht, unter anderem durch die Teilnahme am Runden Tisch Meeresmüll in Deutschland, durch Empfehlungen zur Netzverwertung im Rahmen einer OSPAR Studie, und durch Präsentationen bei der HELCOM (Helsinki-Konvention) Arbeitsgruppe gegen Meeresmüll durch den MARELITT Partner WWF Polen.
Bei einem Spitzentreffen des Bundes und der Länder im September 2019 hat der WWF die Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Geisternetzen den Umweltbundesministerien und den Landesämtern für Umweltschutz und Fischerei vorgestellt. Die fachgerechte Entsorgung ist ein wichtiger Schritt, um die weitere Bergung von Altlasten und neuen Verlusten aus unseren Meeren zu ermöglichen und so den Zustand des Meeresgrunds in Nord- und Ostsee zu verbessern – für weniger Plastik und Mikroplastik aus Geisternetzen.
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