Einwegflaschen, Feuerzeuge, Reste von Fischernetzen und einzelne Flipflops sammeln sich vor allem an den Küsten der beliebtesten Reiseziele: Barcelona, Valencia, Tel Aviv, aber auch die Küsten von Marseille, Venedig, dem Po-Delta und Kilikien in der Türkei gehören zu den am schlimmsten mit Plastikmüll verschmutzten Küstenregionen am Mittelmeer. Mit der Zahl der Touristen steigt in der Sommersaison auch das Aufkommen an Plastikmüll in den Touristenregionen um bis zu 40 Prozent und überfordert dabei regelmäßig die kommunalen Abfallentsorger.
Wer beim Urlaub am Mittelmeer Strände abseits der Touristenhochburgen aufsucht, wird mit der Situation unmittelbar konfrontiert: Wo keine Reinigungskräfte frühmorgens den Strand aufwendig säubern, läuft man nicht nur durch feinkörnigen Sand, sondern auch durch jede Menge Plastikmüll.
Zu wenig Plastik wird recycelt oder mehrfach genutzt
Das Ausmaß des Plastikmüllproblems im und am Mittelmeer spiegelt sich vor allem in den erschreckenden Zahlen: Jedes Jahr landet mehr als eine halbe Millionen Tonnen Plastikmüll im Mittelmeer. Das entspricht 33.800 Plastikflaschen pro Minute! Mehr als die Hälfte des im Mittelmeerraum produzierten Plastiks landet schon innerhalb eines Jahres wieder im Müll, nur ein Bruchteil wird recycelt oder wiedergenutzt. 6,6 Millionen Tonnen Plastikmüll jährlich werden nicht eingesammelt bzw. landen direkt auf illegalen Deponien und somit in der Umwelt. Auch über offene Mülldeponien gelangt der Müll mit dem Wind und über Flüsse ins Meer. Einmal dort gelandet, wird dieser Müll zu 80 Prozent im Laufe von zehn Jahren wieder zurück an die Küsten gespült.
Zu den größten Verschmutzern gehören dabei die drei Anrainerstaaten Ägypten, Türkei und Italien. Zwei Drittel aller Kunststoffabfälle stammen von hier. Allein in Italien werden jeden Tag 32 Millionen Plastikflaschen benutzt – ein europaweiter Rekord. Dass auch die anderen Mittelmeerstaaten in Bezug auf das Plastikmüllproblem ein trauriges Bild abgeben, stellt Guiseppe die Carlo, Direktor des WWF-Mittelmeer-Programms fest: "Alle Mittelmeerstaaten scheitern bei der Abfallsammlung und müssen ihren gesamten Plastikzyklus überarbeiten. Wir müssen weniger Kunststoff herstellen und verbrauchen und ernsthaft in Recycling und Mehrwegsysteme investieren. Nur so können wir Plastikmüll aus dem Mittelmeer heraus halten."
Deutscher Plastikmüll verstopft Recyclinganlagen in der Türkei
Obwohl das Mittelmeer von Deutschland weit entfernt liegt, landet auch deutscher Müll in der Mittelmeerregion. Denn Deutschland exportiert seinen Plastikmüll zur Entsorgung auch in die Türkei. Diese Mengen haben sich nach dem Importstop von China für Plastikmüll im vergangenen Jahr deutlich erhöht. Über 50.000 Tonnen Kunststoffmüll hat Deutschland 2018 in die Türkei geschickt. "Im schlimmsten Fall besteht die Gefahr, dass Plastikmüll auch offen gelagert bzw. verbrannt wird oder unkontrolliert in die Umwelt gelangt“, so WWF-Plastikexperte Bernhard Bauske. Er fordert: „Statt die Recyclinganlagen anderer Länder mit deutschem Plastikmüll zu verstopfen, sollte Deutschland andere Staaten dabei unterstützen, bessere Sammel- und Sortiersysteme zu etablieren.“
Ab 2030 soll kein Plastikteil mehr in der Natur landen
Weil das Ausmaß des Problems so gigantisch ist, ist schnelles und konsequentes Handeln erforderlich. Deshalb hat der WWF sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Spätestens ab dem Jahr 2030 soll an den Mittelmeerküsten kein einziges Plastikteil mehr in der Umwelt landen! Ein wichtiger erster Schritt in diese Richtung ist die im März 2019 vom EU-Parlament beschlossene Richtlinie, nach der Strohhalme, Trinkbecher und Besteck aus Einwegplastik ab 2021 vom europäischen Markt verschwinden sollen. Auch sollen die Hersteller von Produkten aus Einwegplastik an den Kosten für zum Beispiel Strandreinigungen beteiligt werden.
Doch weitere Maßnahmen sind dringend notwendig: Deutschland und die EU müssen sich noch wesentlich intensiver als bisher für ein internationales UN-Abkommen gegen den Eintrag von Plastikmüll ins Meer einsetzen. Aber auch Touristen und Einheimische müssen umdenken, auf Einwegprodukte verzichten und Regierungen und Wirtschaft unter Druck setzen, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.
Im April 2019 fand man im Magen eines an der italienischen Küste angespülten Pottwals 22 Kilo Plastikmüll. Und leider war das kein Einzelfall. Schildkröten ersticken in Resten von Fischernetzen und viele Seevögel verhungern, weil ihr Verdauungssystem mit Plastikteilen verstopft ist. "Die Natur zahlt den höchsten Preis für die Verschmutzung des Mittelmeeres", so Bernhard Bauske. Aber am Ende auch der Mensch. Denn über den Fisch auf dem Teller landet der Kunststoff letztlich auch in den Mägen der Einheimischen und Touristen.
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