Wir befinden uns in zwei großen Krisen gleichzeitig: Die Klimakrise und das Artensterben. Der WWF-Report „Feeling the Heat: The fate of nature beyond 1.5°C of global warming“ (Hitzig: Das Schicksal der Natur jenseits von 1,5°C globaler Erhitzung) zeigt erneut die Verknüpfungen und die Dringlichkeit der beiden Krisen auf: Noch dieses Jahr braucht es dringend schnelles Handeln.
Bereits 2018 hatte der WWF die Auswirkungen der Klimakrise auf die Artenvielfalt aufgezeigt. Der neue Report gibt ein Update zu den dramatischen Folgen der Erderhitzung auf Tier- und Pflanzenarten und deren Lebensräume und hebt insbesondere zwölf Arten hervor, die von den verheerenden Folgen des Klimawandels betroffen sind: von Papageitauchern an den Küsten Großbritanniens über Kaiserpinguine in der eisigen Wildnis der Antarktis und Meeresschildkröten an tropischen Stränden bis hin zu Kaffeepflanzen im afrikanischen Hochland und Affen tief im Urwald des Amazonas. Das enorme Ausmaß und die Vielfalt der Auswirkungen sind jetzt auf jedem Kontinent und bei unzähligen Arten von Tieren und Pflanzen zu spüren.
Was genau bedeutet der Klimawandel für die Biodiversität?
Schon jetzt spüren wir alle die Auswirkungen des Klimawandels: extreme Wetterereignisse häufen sich, seit der industriellen Revolution ist die Temperatur bereits um ein Grad angestiegen und sie steigt weiter ungebremst. Dessen Folgen spüren auch unsere Ökosysteme, Pflanzen und Tiere: Höhere Temperaturen verschieben die geeigneten Lebensräume für Arten und bringen möglicherweise auch deren Lebenszyklus durcheinander. Manche Arten werden daher ihren Lebensraum verlagern müssen – wenn sie dazu denn schnell genug in der Lage sind und überhaupt Platz zum Ausweichen bleibt. Typischerweise müssen Arten in Richtung der Pole oder hangaufwärts in den Bergen in kühlere Gebiete umziehen. Ein Beispiel dafür sind Hummeln: Ihr flauschiger Körper ist an kühle Klimazonen angepasst, aus denen sie mit steigenden Temperaturen verdrängt werden. Gepaart mit anderen Bedrohungsfaktoren, zum Beispiel aus der intensiven Landwirtschaft, hat das zur Folge, dass viele Hummelbestände in den letzten Jahren deutlich gesunken sind. Auch Tiere wie Schneeleoparden oder Nasenfrösche kämpfen mit dem Schrumpfen ihrer Lebensräume durch den Klimawandel oder tödlichen Krankheiten, die durch steigende Temperaturen begünstigt werden.
Tiere anderer Arten sterben an den Auswirkungen von extremen Wetterphänomenen wie extremer Hitze und Starkregen oder leiden an der sinkenden Verfügbarkeit von Nahrung und Wasser. Beispielsweise der Papageitaucher wird durch starke Winde und Regenfälle in seiner Fähigkeit zu Tauchen beeinträchtigt und damit auch darin, genügend Nahrung zu finden, die ohnehin mit steigenden Meerestemperaturen immer spärlicher wird. Extreme Kälte kühlt zudem seine Eier ab und Stürme zerstören Nester mit Küken.
Insgesamt können viele Arten nur schlecht mit der momentanen Erderhitzung umgehen – insbesondere, wenn ihre Anpassungsfähigkeit bereits durch Lebensraumzerstörung, Übernutzung, Krankheiten, Verschmutzung und Konkurrenz durch invasive Arten reduziert wurde. So trägt der Klimawandel massiv zum aktuellen Artensterben bei – dem größten seit dem Ende der Dinosaurierzeit. Die Bramble-Cay-Mosaikschwanzratte hat als erstes Säugetier, das nachgewiesenermaßen durch die Klimakrise ausgestorben ist, schon traurige Berühmtheit erlangt. Bei einem weiteren Temperaturanstieg werden weitere folgen.
Außerdem geht es nicht nur um das Verschwinden einzelner Arten von unserem Planeten: Ganze Ökosysteme mit wichtigen Funktionen für Menschen und Tiere werden verändert, der Meeresspiegel steigt und die Ernährungssicherheit von uns allen ist bedroht. Ökosysteme verlieren zudem die Fähigkeit, ihre für uns Menschen überlebenswichtigen Funktionen und Dienstleistungen im Angesicht der Klimakrise zu erhalten, wenn immer mehr Tier- und Pflanzenarten aus dem komplexen Netz dieser Systeme verschwinden.
Warum das gerade jetzt wichtig ist?
Im Paris-Abkommen von 2015 hat sich die internationale Staatengemeinschaft zu einer Begrenzung des Anstiegs der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau geeinigt. Zusätzlich sollen Anstrengungen unternommen werden, um die Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten.
Der WWF-Bericht zeigt auf, wie groß die Unterschiede in den Auswirkungen des Temperaturanstiegs auf die Biodiversität für diese zwei verschiedenen Ziele ist. Ein halbes Grad hört sich vielleicht wenig an – und hat doch so große Auswirkungen. Schon bei einem Anstieg um 1,5 Grad werden Ernten reduziert und Ökosysteme dauerhaft beschädigt. Bei einem 2-Grad Anstieg verstärken sich diese Effekte jedoch deutlich, der Meeresspiegel wird bis 2100 um 10 cm höher steigen als bei 1,5 Grad, eisfreie Sommer in der Arktis werden deutlich häufiger auftreten, Warmwasserkorallenriffe und Alpengletscher können ganz verschwinden und damit auch Arten, die von diesen Lebensräumen abhängig sind.
Auch ein Blick auf die Verbreitungsgebiete von Arten verdeutlicht die dramatischen Folgen eines 2-Grad Temperaturanstiegs. Wenn der Anstieg auf 1,5 Grad begrenzt werden kann, verlieren nur halb so viele Pflanzen und Wirbeltiere mehr als die Hälfte ihres geografischen Verbreitungsgebiets und nur ein Drittel der Insekten. Es gilt daher: Jedes Zehntelgrad zählt!
Was jetzt zu tun ist?
Zwar haben in den letzten Monaten einige Staaten ihre nationalen Beiträge zum Klimaschutz erhöht, diese Zusagen reichen jedoch nicht aus um katastrophale Folgen zu verhindern: Die derzeitigen Zusagen und Ziele von der internationalen Staatengemeinschaft für den Klimaschutz werden bis zum Ende des Jahrhunderts voraussichtlich zu einem Temperaturanstieg von 2,4°C über dem vorindustriellen Niveau führen.
Deswegen ist 2021 ein entscheidendes Jahr für den Klimaschutz! Um die für die Menschheit so wichtigen Lebenserhaltungssysteme zu retten, muss die Weltgemeinschaft jetzt handeln. Wenn wir es nicht schaffen die globale Erhitzung auf 1,5°C zu begrenzen, werden wir mit einem noch größeren Risiko eines weltweiten Rückgangs der funktionierenden Ökosystemen und deren für uns wichtigen Ökosystemleistungen sowie mit einem unumkehrbaren und katastrophalen Verlust von Arten rechnen müssen. Es braucht schnelle und ambitionierte Maßnahmen für die Sicherung von Gesundheit, Sicherheit und Wohlstand von kommenden Generationen.
Die Chance, um den Klimaschutz und den Schutz unserer Biodiversität auf den richtigen Weg zu bringen, ist die Klimakonferenz im November in Glasgow. Ebenso wichtig wird dafür die Biodiversitätskonferenz im Oktober im chinesischen Kunming, wo auch der Klimawandel ein Thema sein wird. Auf beiden Konferenzen müssen die Staats- und Regierungschefs der Welt zeigen, dass sie eine grünere und gerechtere Zukunft gestalten wollen - eine, in der die Natur im Mittelpunkt steht. Eine Welt, in der wir es gemeinsam schaffen, die Klimakrise zu begrenzen und den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen und umzukehren.
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