Es braucht schon gute Augen und ruhige See, um die kleine dreieckige Rückenfinne der in Nord- und Ostsee heimischen Schweinswale zu entdecken. Diese kleinen Zahnwale, auch Kleine Tümmler genannt, tauchen in einer rollenden Bewegung nur kurz auf und ab. Segler:innen in der Ostsee oder Strandspaziergänger:innen an der Westküste von Sylt haben oftmals Glück, sie beobachten zu können. Leider geht es den Schweinswalen trotz intensiver Schutzbemühungen noch immer nicht gut. Zu den größten Bedrohungen gehören das Verfangen in Fischereigerät (Beifang), der Rückgang der Fischbestände und die zunehmende Verlärmung der Meere.
Der Schweinswal (Kleiner Tümmler) im Steckbrief
Verwandtschaft | Schweinswale (Phocoenidae) gehören zu den Zahnwalen (Odontoceti) und sind eine Familie der Delfinartigen (Delphinoidea). |
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Größe und Gewicht | Weibchen bis ca. 160 cm (selten bis 1,85 cm) / bis maximal 90 kg Männchen bis ca. 145 cm / bis ca. 60 kg Geburtsgewicht ca. 5 – 7 kg, Länge ca. 70 – 75 cm |
Besonderheiten | Es sind die kleinsten Wale Mitteleuropas. Schweinswale ähneln äußerlich Delfinen, sie sind aber kleiner und gedrungener und haben eine abgerundete, kurze Schnauze. |
Soziale Organisation | einzeln, paarweise oder in Kleingruppen unterwegs |
Fortpflanzung | Geschlechtsreife erreichen Weibchen mit 3 – 4 Jahren, Männchen mit 2 – 3 Jahren. Zumeist jedes Jahr ein Jungtier nach einer Tragzeit von 10 – 11 Monaten, Säugezeit 8 – 12 Monate. Weibchen häufig trächtig und säugend zugleich. |
Lebenserwartung | durchschnittlich 8 – 10 Jahre, maximal bis zu 25 Jahre |
Geografische Verbreitung | kühle und gemäßigte Gewässer des Nordatlantiks und Nordpazifiks. Nordsee, Übergangsgewässer des Skagerrak und Kattegats bis in die Ostsee; im Schwarzen und Asowschen Meer, aber bis auf das nördliche Ägäische Meer nicht regelmäßig im Mittelmeer anzutreffen. |
Lebensraum | Küsten- und Schelfgewässer |
Ernährung | kleine bis mittelgroße Fische wie z.B. Hering, Sandaal, Dorsch, Makrele, Wittling, auch kleinere Plattfische. Zunehmend auch Grundeln, gelegentlich auch Tintenfische. |
Bestandsgröße | Weltweit rund eine Million (IUCN, Stand 2020): Europäische Atlantikregion (inkl. Nordsee) ca. 466.500. Übergangsgewässer: Beltsee und Kattegat/Skagerrak rund 67.000 Schweinswale. Subpopulation Zentrale Ostsee ca. 500 Tiere. |
Gefährdungsstatus | Art nicht gefährdet (IUCN: least concern). Subpopulation der Zentralen Ostsee vom Aussterben bedroht (IUCN: critically endangered). In der Roten Liste Deutschland wird der Schweinswal als stark gefährdet geführt, die Subpopulation der Zentralen Ostsee als vom Aussterben bedroht. |
Wo werden Schweinswale in der zoologischen Systematik eingeordnet?
Von Ordnungen, Familien und Arten
In der Ordnung der Wale (Waltiere, Cetacea) gehören Schweinswale zur Unterordnung der Zahnwale (Odontoceti). Zahnwale sind in zehn Familien aufgeteilt, die derzeit 77 Arten umfassen. Zu ihnen gehören z.B. Pottwal, Narwal, Beluga, Schweinswale; 37 Arten von Delfinen wie z.B. Großer Tümmler, Orca und Grindwal; die Flussdelfine und 23 Schnabelwalarten wie z.B. der Nördliche Entenwal. Alle Zahnwale haben nur ein Blasloch, im Gegensatz zu den Bartenwalen mit zwei Blaslöchern. Schweinswale sind die kleinsten Zahnwale und bilden eine eigene Familie (Phocoenidae), die sich aus drei Gattungen mit insgesamt sieben Arten zusammensetzt. Zur Gattung Phocoena gehören vier Arten – der Gewöhnliche Schweinswal (Phocoena phocoena), der Kalifornische Schweinswal (oder auch Vaquita) und die auf der Südhalbkugel lebenden Brillenschweinswale und Burmeister-Schweinswale. Der Gewöhnliche Schweinswal ist in mehreren Unterarten auf der Nordhalbkugel verbreitet. Die Unterart Phocoena phocoena phocoena lebt im Nordatlantik, und ist die in Nord- und Ostsee heimische Art. Für diese Unterart lassen sich verschiedene Subpopulationen unterscheiden: eine in der Nordsee und im Skagerrak, die bis in das nördliche Kattegat reicht; eine für das südliche Kattegat, die Beltsee und die südwestliche Ostsee; und die dritte in der zentralen Ostsee, die nur noch aus wenigen hundert Tieren besteht.
Wie sehen Schweinswale aus?
Merkmale, Eigenschaften und Besonderheiten
Schweinswale sind die kleinsten Wale. Der in Nord- und Ostsee heimische Gewöhnliche Schweinswal wird etwa 1,60 Meter lang (selten bis 1,85 Meter) und bis zu 90 Kilogramm schwer. Die Männchen bleiben kleiner als die Weibchen und wiegen nur bis zu 60 Kilogramm. Jungtiere haben ein Geburtsgewicht von rund fünf bis sieben Kilogramm. Typischerweise weisen Schweinswale eine dunkelgraue Oberseite und hellgraue Unterseite auf.
An den Flanken sind oft große, graue Flecken zu sehen. Die helle Unterseite kann im Bereich der Kehle fast weiß sein, so dass es aussieht, als ob sich ein dunkler Strich vom Maul bis etwa zu den Vorderflossen, den Flippern, zieht. Bei manchen Tieren ist die graue Färbung eher als Braun ausgeprägt. Daher wurden Schweinswale früher auch mitunter als „Braunfisch“ bezeichnet. Charakteristisch sind der rundliche Kopf mit der abgerundeten Schnauze und die kleine dreieckige Rückenfinne.
Wie leben Schweinswale?
Die soziale Organisation, Aktivität und Kommunikation
Schweinswale schwimmen meist allein, wobei die Weibchen während der Säugezeit – also bis zu 12 Monate lang – von ihrem Jungtier begleitet werden. Selten sind sie als Paar unterwegs, mitunter in Kleinstgruppen von drei bis fünf Tieren. Wie sich diese zusammensetzen, ist bislang unbekannt. Große Gruppen (Schulen), wie sie von verschiedenen Delfin-Arten bekannt sind, gibt es bei Schweinswalen nicht.
Die Art zeigt ein ausgeprägtes Wanderverhalten. Beispielsweise in der westlichen Ostsee sind diese Wanderungen jahreszeitlich bedingt: im Frühsommer ziehen Schweinswale von der dänischen Beltsee nach Osten durch den Fehmarnbelt und die Kadetrinne bis über die Darßer Schwelle Richtung Rügen. Ab Herbst ziehen sie zurück. Die sehr seltenen Schweinswale der zentralen Ostsee scheinen dann weiter nach Süden zu kommen.
Schweinswale orientieren sich mit Hilfe von Echoortung, auch Echolokation oder Biosonar genannt, ähnlich wie das Schallortungssystem von Fledermäusen. Mit Hilfe der „Phonischen Lippen“ im Bereich der Nasensäcke unterhalb des Blaslochs erzeugen Schweinswale hochfrequente Töne zwischen 110 und 150 Kilohertz. Diese Klicks werden in der „Melone“, einem zwischen der „Stirn“ und dem Oberkiefer liegendem Organ aus verschiedenen Fettgewebsschichten, gebündelt und als Schallwellen ins Wasser abgegeben. Treffen die Schallwellen auf ein „Hindernis“, z.B. einen Fisch, ein anderes Tier oder den Meeresboden, werden sie als Echo zurückgeworfen. Dieses Echo nimmt der Schweinswal über den Unterkiefer wahr, der als hohler Knochen ausgebildet ist und einen Fettkanal enthält. Hierüber werden die Schallwellen an das Innenohr weitergeleitet. Die gewonnen Informationen verarbeitet das Gehirn dann zu einem „akustischen Bild“ über Art und Entfernung des georteten Objekts.
Die beste Hörfähigkeit eines Schweinswals liegt um 125 Kilohertz. Zum Vergleich: der Mensch hat normalerweise einen Hörbereich von 20 Hz bis zu 20 kHz.
Schweinswale haben einen sehr guten Gehörsinn und nutzen auch akustische Signale zur innerartlichen Kommunikation. Die Höhe der Klicks bei 130 kHz gelten auch als getarnte Akustik: sie liegen oberhalb des Hörvermögens des Schwertwals, um auszuschließen, die Aufmerksamkeit ihres Fressfeindes auf sich zu ziehen.
Was ist über die Fortpflanzung von Schweinswalen bekannt?
Von der Paarung über die Entwicklung der Jungen bis zum Erwachsenenalter
Männliche Schweinswale erreichen ihre Geschlechtsreife mit etwa zwei bis drei Jahren, Weibchen erst mit drei bis vier Jahren.
Die Geburtszeit beginnt in der Nordsee Anfang Juni und reicht bis in den August, in der Ostsee beginnt sie bis zu einem Monat später und dauert bis Ende August. Ein gut genährtes, kräftiges und gesundes Weibchen kann jedes Jahr ein Jungtier gebären.
Das Junge wird nach einer Tragzeit von zehn bis elf Monaten mit der Schwanzflosse – Fluke – zuerst geboren. Gleich nach der Geburt schwimmt es mit Unterstützung seiner Mutter an die Wasseroberfläche, um seinen ersten Atemzug zu tun. Bei einem Gewicht von fünf bis sieben Kilogramm ist das Jungtier bereits 65 bis 75 Zentimeter lang und damit schon etwa halb so lang wie seine Mutter. Wissenschaftler:innen haben herausgefunden, dass das Gehirn neugeborener Schweinswale schon 30 Stunden nach der Geburt auf Klicklaute genauso schnell reagiert wie das von erwachsenen Tieren. Damit besitzen Schweinswale eine der schnellsten Gehörentwicklungen unter den Säugetieren. Das Neugeborene ist auf ein gutes Gehör angewiesen, um den Kontakt mit seiner Mutter zu halten und sie per Echoortung zu finden. Die Säugezeit dauert bis zu 12 Monate. Im Alter von rund fünf Monaten fängt das Jungtier bereits an, Krebstiere oder kleine Fische zu fangen. Es ist jedoch noch viele Monate auf die Milch des Muttertiers angewiesen.
Kurz nach der Geburt ist das Weibchen wieder paarungsbereit. Weibliche Schweinswale sind daher häufig trächtig und säugend zugleich. Dies bedeutet quasi eine Doppelbelastung für das Weibchen, so dass es besonders viel Energie benötigt. Zudem haben Schweinswale einen schnellen Stoffwechsel mit einem hohen Energieumsatz, auch um ihre Körpertemperatur aufrecht zu erhalten (siehe unten). Forschungen haben gezeigt, dass der Energiebedarf im Spätsommer und bis zum Herbst am höchsten ist, wenn die Tiere eine Fettschicht für den Winter aufbauen müssen, insbesondere um den Wärmeverlust im kalten Wasser zu verringern. Gerade dann säugen die Weibchen noch und sind bereits wieder trächtig. Schweinswale sind damit auf eine gute Nahrungsverfügbarkeit angewiesen: ausreichend viel Nahrung mit einem möglichst hohen Energiegehalt.
Das 1999 eingerichtete Schweinswal-Schutzgebiet vor der Insel Sylt und Amrum hat eine besondere Bedeutung als Geburts- und Aufzuchtbereich. Hier und in den angrenzenden Gewässern halten sich besonders viele Schweinswale auf und bringen ihre Kälber zur Welt.
Wo leben Schweinswale?
Ihr Verbreitungsgebiet und Lebensraum
Der Gewöhnliche Schweinswal kommt in mehreren Unterarten in den kühlen und gemäßigten Gewässern des Nordatlantiks und Nordpazifiks, im Schwarzen und Asowschen Meer sowie in der Ostsee vor. Schweinswale sind in den Gewässern der Schelf- und Küstenmeere verbreitet. Sie jagen über Felsriffen und Tangwäldern ebenso wie über Sandgründen und ziehen sogar in Fjorde und Flussmündungen, wenn sie dort ausreichend Nahrung finden.
Sie können eine maximale Tauchtiefe von 226 Metern erreichen, die durchschnittliche Tauchtiefe beträgt 60 bis 100 Meter. Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass sich die Tiere allerdings zu einem großen Teil in den oberen Metern der Wassersäule aufhalten. Sie tauchen mit einer kurzen rollenden Bewegung auf und ab. Die durchschnittliche Tauchdauer liegt zwischen vier und 15 Minuten.
Wie ernähren sich Schweinswale?
Alles über ihre Nahrung und Ernährungsweise
Schweinswale ernähren sich von den Arten, die in ihrem Lebensraum häufig sind. Ihr Nahrungsspektrum umfasst normalerweise kleine bis mittelgroße Fische wie z.B. Hering, Sandaal, Dorsch, Makrele, Wittling, auch kleinere Plattfische. Gelegentlich fressen sie auch Tintenfische. Untersuchungen zeigen, dass sich das Nahrungsspektrum von Region zu Region und nach Jahreszeit unterscheidet. Zudem ist es abhängig von dem Vorkommen bzw. dem Rückgang wichtiger Beutearten wie Sandaal, Dorsch und Hering. Zunehmend werden bei Mageninhaltsuntersuchungen inzwischen auch – weniger fetthaltige – Grundeln gefunden.
Bedingt durch seine geringe Körpergröße bei großer Körperoberfläche, und der Notwendigkeit, im kalten Wasser die Körpertemperatur aufrecht zu erhalten, hat der Schweinswal einen sehr schnellen Stoffwechsel. Er muss daher nahezu ständig Energie aufnehmen und kann nur wenige Tage komplett ohne Nahrung überleben. Dänische Wissenschaftler:innen berechneten, dass Schweinswale rund 830 Kilojoule pro Stunde an Energie zu sich nehmen müssen, das kann etwa 2.000 (!) kleinen Beutefischen pro Tag entsprechen (mdl., Rojano-Donate et al., 2023). Entgegen früheren Untersuchungen fanden sie auch heraus, dass Schweinswale überwiegend nachts jagen. Störungen, beispielsweise durch laute, vorbeifahrende Schiffe, haben dann in dieser Zeit besonders gravierende Auswirkungen: der Ausfall von erfolgreichem Beutefang und die durch Stress zusätzlichen Atemzüge können bei einem Schweinswal zu einem Netto-Energieverlust führen, der umgerechnet etwa zehn bis 12 Kilogramm Fettschicht in einem Jahr entspricht (mdl., Rojano-Donate et al., 2023).
Ob das Tier diesen Energieverlust kompensieren kann, hängt u.a. von dem allgemeinen Gesundheitszustand ab, zum anderen aber von der Qualität des Lebensraums und der verfügbaren Nahrung. Gerade für die Weibchen, die häufig säugend und trächtig zugleich sind, ist eine Kompensation solch eines Energieverlusts schwierig und kann Auswirkungen auf das Überleben des Kalbs haben.
Sind Schweinswale bedroht und wie groß ist ihr Bestand?
Bedrohungen, Gefährdungsstatus und Bestand
Schweinswale könnten bis zu 25 Jahre alt werden, doch in der Nord- und Ostsee erreicht kaum ein Tier dieses Alter. Die meisten Tiere sterben vor ihrem 13. Lebensjahr. In der Ostsee liegt das mittlere Todesalter bei weiblichen Schweinswalen sogar nur bei 3,67 Jahren (mdl., Siebert), sodass sich viele vermutlich noch nicht fortgepflanzt haben.
Die Todesursachen für Schweinswale in Nord- und Ostsee sind vielfältig, und nicht immer sind sie einwandfrei bestimmbar. Deutschland hat ein gut funktionierendes Totfundmonitoring für Schweinswale etabliert, d.h. dass – je nach Erhaltungszustand des aufgefundenen toten Tieres – möglichst alle Schweinswale untersucht werden, die an den deutschen Küsten angespült werden. Beispielsweise für Schleswig-Holstein werden die regelmäßigen Monitoring-Berichte der Tierärztlichen Hochschule Hannover auf der Website des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums (MEKUN) veröffentlicht.
Festhalten lässt sich: Schweinswale sind in Nord- und Ostsee erheblichen Gefahren ausgesetzt, darunter Beifang in Stellnetzen oder anderem Fischereigerät, Meeresmüll und Schadstoffen, Unterwasserlärm durch Bau und Betrieb von Offshore Windparks, Sonare, Sprengungen von Altmunition und insbesondere auch durch Schiffsverkehr.
All diese menschengemachten (anthropogenen) Bedrohungen beeinträchtigen die Fitness und den Gesundheitszustand von Schweinswalen, so dass sie anfälliger werden für Infektionskrankheiten und für Parasitenbefall. Ein erheblicher Teil der gestrandeten Schweinswale weist Parasitenbefall in inneren Organen wie Lunge, Leber, Milz oder dem Magen auf, viele Tiere haben Lungenentzündungen. Die Berichte zeigen seit Jahren, dass Schweinswale in deutschen Gewässern stärker unter infektiösen Krankheiten leiden als Tiere aus subarktischen oder arktischen Gewässern, die in geringerem Maße unter menschlichen Einflüssen leiden. Auch stark abgemagerte Tiere, die verhungert sind, werden gefunden.
Problem Beifang: Die meisten Stellnetze bestehen aus einfädigen Nylonschnüren, die von den Schweinswalen weder optisch noch akustisch wahrgenommen werden können. Sie verfangen sich darin, können nicht mehr zum Atmen an die Oberfläche und ersticken bzw. ertrinken, vor allem junge und unerfahrene Schweinswale. Mitunter lassen sich an tot aufgefundenen Schweinswalen Netzmarken an Fluke oder Finne feststellen. Vielerorts bestehen inzwischen Kooperationen mit Fischern, die solch unbeabsichtigt gefangenen Tiere an die zuständigen Stellen zur Untersuchung abliefern. In Forschungsprojekten wird untersucht, wie ggf. Netze verändert werden können, um Beifang zu vermeiden.
Problem Unterwasserlärm: die von Menschen verursachten Schalleinträge sind vielfältig, und je nach Art, Lautstärke und Frequenz der Schallquelle reichen die Auswirkungen auf Schweinswale von Stress, Vertreibung aus ihrem Lebensraum, zeitweise oder vollständigem Hörverlust, Verletzungen des Ohres und der Organe, Blutungen im akustischen Fett der Wale bis hin zum Tod der Tiere. Der Hintergrundlärm durch Schiffsverkehr, dem Schweinswale in vielen Regionen ausgesetzt sind, ist beträchtlich. Und besonders laute und schnelle Schiffe haben auch direkte Auswirkungen auf das einzelne Tier: am Beispiel einer Schnellfähre konnten dänische Forscher:innen nachweisen, dass Schweinswale in der Nähe auf den Grund abtauchen, ihre Echoortung und auch das Fressen einstellen.
So lässt sich vielleicht sagen: je stärker die Meere genutzt werden, desto größer sind die Beeinträchtigungen der Schweinswalbestände.
Denn obgleich der weltweite Bestand der Schweinswale als nicht bedroht gilt (IUCN: least concern), stellt sich in verschiedenen Meeresregionen die Situation anders dar. Basierend auf dem Erfassungsprogramm SCANS III aus dem Jahr 2016 gibt die IUCN für die europäische Atlantische Region einen Bestand von ca. 466.500 Schweinswalen an, und etwas mehr als 67.000 für die Region Skagerrak / Kattegat / Beltsee. Die Subpopulation der Zentralen Ostsee besteht nur noch aus ca. 500 Tieren. Sie wird von der IUCN als critically endangered – vom Aussterben bedroht – aufgeführt. In der Roten Liste Deutschlands gilt der Schweinswal insgesamt als stark gefährdet, wobei auch hier die Subpopulation der Zentralen Ostsee als vom Aussterben bedroht geführt wird.
Im Jahr 2022 wurde SCANS IV durchgeführt. Die Ergebnisse werden uns ein aktuelles Bild der Bestandssituation im Nordostatlantik und der Ostsee geben.
Was wird für den Schutz der Schweinswale getan?
Abkommen, Forschung
Der WWF engagiert sich seit Ende der 1980er Jahre national und international für den Schutz der Schweinswale. So war der WWF auch maßgeblich an der Forderung und 1999 erfolgten Durchsetzung des nationalen Schweinswalschutzgebietes vor Sylt und Amrum beteiligt (das Teil des Nationalparks und Weltnaturerbes Wattenmeer ist). Auch im Vorfeld der 5. Internationalen Nordseeschutzkonferenz 2002 machte der WWF in einer großen Schweinswal-Kampagne auf die Gefährdung der Kleinwale direkt vor der eigenen Haustür aufmerksam.
Unter der Bonner Konvention (Convention on Migratory Species; CMS, einem internationalen Übereinkommen zum Schutz wandernden Tierarten) wurde 1992 das Abkommen zum Schutz von Kleinwalen ASCOBANS (Agreement on the Conservation of Small Cetaceans of the Baltic, North East Atlantic, Irish and North Seas) und 2001 das ACCOBAMS (Agreement on the Conservation of Cetaceans of the Black Sea, Mediterranean Sea and contiguous Atlantic area) zum Schutz von Walen im Mittelmeer und im Schwarzen Meer vereinbart. Innerhalb von ASCOBANS wurden inzwischen mehrere Aktionspläne zum Schutz dieser Kleinwale beschlossen, beispielsweise der Jastarnia-Plan für die Ostsee. Denn der Erhalt des vom Aussterben bedrohten Bestands der Schweinswale in der zentralen Ostsee kann nur durch intensive Anstrengungen aller Ostseeanrainerstaaten gelingen.
Nach Bundesnaturschutzgesetz ist der Schweinswal streng geschützt. Deutschland ist auch nach internationalen Vorgaben verpflichtet, diese Art zu schützen, beispielsweise durch die Einrichtung von Schutzgebieten und weiteren Maßnahmen. Das bestehende Schweinswal-Schutzgebiet vor Sylt und Amrum gilt als bevorzugtes Fortpflanzungs- und Aufzuchtgebiet der Schweinswale. Auch die in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone der Nordsee, außerhalb der 12-Seemeilen-Zone gelegenen Naturschutzgebiete sichern Schweinswalen wichtige Nahrungsgebiete. Regelungen zur Stellnetzfischerei sollen dort helfen, den Beifang von Schweinswalen zu reduzieren.
Um den Unterwasserlärm zu verringern, gibt ein Schallschutzkonzept Grenzwerte vor, die beim Bau von Offshore-Windparks in Deutschland einzuhalten sind. Dringend notwendig sind Zukunftsperspektiven, wie bei den immer größer werdenden Anlagen und der Ausweitung von Offshore-Windparks Schallschutzanforderungen umgesetzt und für die Meeressäugetiere wichtige Lebensräume gesichert werden können.
Die schwerwiegende Bedrohungssituation des Ostsee-Schweinswals durch Beifang in Stellnetzen wurde 2019, getragen durch eine Koalition von 15 Umweltschutzverbänden, darunter sieben europäische WWF-Büros, bei der Europäischen Kommission angemahnt und Notfallmaßnahmen gefordert. Nachfolgend kam es zu einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Schweden, eingeleitet durch den EU-Fischerei- und Umweltkommissar, das fordert, dass von den EU-Anrainerstaaten der Ostsee klare Maßnahmen zur Verringerung des Beifangs in Stellnetzen ergriffen werden müssen. Nach längerer Diskussion der Staaten um Art und Umfang sind nun Stellnetze in Meeresschutzgebieten im Hauptverbreitungsgebiet in Schweden verboten, in bestimmten Küstengewässern Polens müssen Pinger in der Fischerei verwendet werden und in deutschen Natura 2000-Schutzgebieten ist dort keine Fischerei zwischen Anfang November bis Ende Februar erlaubt.
Der WWF setzt sich weiterhin für wirksamen Schutz der Schweinswale in unseren Meeresgebieten ein. So notwendig ein angemessener Ausbau der Offshore-Windenergie für den Klimaschutz ist, so sehr führt dies auch zu erheblichen Belastungen für diese kleinen, empfindlichen Meeressäuger. Um dies zu kompensieren, müssen die Beifänge reduziert, die Störungen z.B. durch Unterwasserlärm vermindert und die bestehenden Schutzgebiete effektiv gemanaged werden. Nur so können diese charismatischen Meeressäuger langfristig geschützt werden.
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Tierporträts im WWF-Artenlexikon
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